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30 Psychische Studfen. LI. Jahrgang. 1. Heft. (Januar 1924.)
Zeugnisdes Dr. J. Pereira de Barros.
Geehrter Herr Bosio!
Wenn Ihre moralischen Qualitäten nicht meine höchste Achtung
verdienten, so würde ich in dem Halbdunkel geblieben sein wie
die andern, welche jene überraschenden Phänomene, die ich in
drei Sitzungen bei Ihnen zu sehen das Glück hatte, auch gesehen
haben, aber sich nicht darüber äußerten. Ich blieb still, weil ich
als einfacher Beobachter und Zuschauer ohne moralische und
irgendwelche professionelle Autorität meine Worte als für die
Wissenschaft belanglos ansah, und mich dazu nur durch die Aufrichtigkeit
, mit der ich sie hierher setze, berechtigt fühle.
Zu sagen, ich hätte nicht gesehen, was ich in der Tat gesehen
habe, würde meiner unwürdig sein. Zu denken, ich und alle
anderen seien Opfer einer Halluzination oder einer Massensuggestion
gewesen, müßte das Vertrauen auf meine Sinne völlig
erschüttern, auf den Gesichtsinn insbesondere, den ich seil mehr
als 36 Jahren gebrauche und durch klinische Beobachtungen
erziehe. Daß in Ihrem Hause angesehene Personen von moralischer
Qualität und anerkannter Ehrenhaftigkeit versuchen sollten
, Sie zu täuschen, wäre der Gipfel einer unbegreiflichen „Perversität
", wenn nicht ein unerhörtes Verbrechen, das ich aus
dem Bereich der Möglichkeit energisch zurückweise.
Somit erkenne ich an:
a) aaß ich sogenannte Materialisationsphänomene in drei
Sitzungen bei Ihnen mit Frau Prado als Medium gesehen habe;
b) daß die Ursachen der Phänomene mangels eines vom Medium
autorisierten Mittels nicht aufgedeckt werden können — es
sei denn in der Zukunft;
c) daß ich glühend wünsche, weiterhin solche Manifestationen
zu sehen;
d) daß sie keinesfalls auf Halluzination oder Massensuggestion
beruhen;
e) daß sie nichts mit Betrug zu tun haben
f) daß mich als Forscher diese einer geduldigen Forschung würdigen
Tatsachen sehr interessieren ;
g) daß es mir rückständig, unehrfürchtig, verachtenswert und
unbillig erscheint, diese Phänomene mit Gleichgültigkeit zu behandeln
oder sie zu bekämpfen, ohne sie eingehend studiert
zu haben.
Spott ist allen großen Entdeckungen gemeinsam, aber Archi-
medes und Galilei brachten den Lärm zum Schweigen. Vor mehr
als30Jahren wurdenJulioC£sarund derDr. A.Faure alsNarrenangesehen
, weil sie ihre Luftfahrzeuge „Victoria" und „Santa Maria
de Beiern" steigen lassen wollten. Heute sind die Wasserflugzeuge
in der ganzen Welt gefeiert. Die Taktlosigkeit und Unwissenheit
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