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Kronfeld: Einfühlung und supranormale Fähigkeiten.
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Zufall <len Naturgesetzen entgegen. Jaspers schreibt in seinem
gehaltvollen Buch „Psychologie der Weltanschauungen": „An der
Grenze unseres Daseins und unseres Begreifens steht tiberall der
Zufall. Zählen wir einige Beziehungen auf: Im Verhältnis zur
Naturgesetzlichkeit ist das tatsächliche Dasein zufällig (es ist unbegreiflich
, daß die Welt da ist), in bezug auf alle allgemeine
Notwendigkeit das Individuelle. Aus den Naturgesetzen ist weder
dm Dasein noch das Individuelle zu begreifen." Schluß folgt.
Aerztliche Gesellschaft für parapsychische Forschung
zu Berlin.
Sitzung vom 4. Dezember 1923.
Vortragt Kronfeld: Einfühlung und supranormale
Fähigkeiten.
Grenzt man den Begriff des Okkulten nicht nach fallweise wechselnden
Merkmalen ab, sondern sucht eine gemeinsame Wesensbestimmung, so
bietet sich bei allen okkulten Phänomenen das negative Merkmal
der anscheinenden Durchbrechung des Erfahrungszusammenhanges
. Die okkulte Forschung, die sich derart gen
Phänomenen mit naturwissenschaftlich-empirischen Methoden näae t, gerät
in die Gelahr der Paradoxie, eben dadurch die Wcsenseigenart
des Okkulten aufzuheben. Dann natürlich ist ihr Weg der, kü stlich
einen Erfahrungszusammenhang zwischen Okkultem und Nichtokkultem
zu suchen, die Phänomene „a lfzuhellen", zu „erklären" — und dadurch
gerade das Wesensmäßige derselben, das sie von aller Erfahrung scheidet,
zu zerstören. Vortragender weist an den „Theorien" über Hellsehen
und Teleraihie, über Materialisation und Telekinesie, und sogir an den
spiritistischen Lehren diesen tiefinneren Widerspruch najh, als etwas
tatsächlich Vorhandenes, jeder rationalen Erklärung Immanentes.
Diese Paradoxie haftet auch der konkreten expenrnent'er?nden
Einzelforschung an, wie Vortragender sie innerhalb der Aerztlichen
Gesellschaft für parapsychische Forschung hat studieren körnen. Zunächst
: Wie werden die okkulten Phänomene ergriff er. In
einer Einstellung welche sie aus Erlebnissen vo i letzter evidenter Unmittelbarkeit
sogleich in ein korkret naturdingliches Sein und Geschehen, in etwas
„Erklärungsbedtirftiees" wandelte. In dieser Einengung auf Kausa'isierimg
und prinzipielle Einfügbarkeit in den „Erfahrungszusammenhang" liegt
jedoch bereits jener Widerspruch gegen das Wesen des Okkulten, wie
oben dargelegt Denkmögiich wäre doch auch folgenies: daß die
Evidenz eines okkulten Phänomens nicht d»e gleiche ht wie die-
jenige der Naturgegebenheit; daß sie vielmehr in einer ganz anderen
geistigen Sphäre fundiert ist. Daiach kann sis Phänonene ime halb
der Naturwirklichkeit mitkonstituieren: eben die okkulten. Aber die
Wirklichkeitsbetrachtung dieser Phänomene als Naturphänomene geht
ohne Rest auf, ohne das Wesen dieser okkulten Evi lenz und ihrer
Grundlagen zu treffen, etwa ähnlich, wie aus der genauen Erklärung
des kinematographischen Projektionsmechanismus nichts über Inhalt
und Wesen des Filmdramas hervorgeht, das er auf die Leinwand
wirft So fiele die Paradoxie fort, wenn man die Einstellung wechselte.
Aut dem Wege der empirischen Erklärung jedenfal s beginnt die
Verneinung des Wesenhaften am Okkulten bereits mit der Aufroüung
der Tatsächlichkeitsfrage der Einzelphänomene als einer in der Er-
fahrung gründenden Realität.
Ein ungeheurer Fortschritt lag, angesichts dieser grundsätzlichen
Schwierigkeit, darin, das Medium einzelner Persönlichkeiten
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