Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
51. Jahrgang.1924
Seite: 45
(PDF, 233 MB)
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Parapsychologie und Grenzgebiete der Psychologie

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Kronfeld: Einfühlung und supranormale Fähigkeiten.

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Etnzeizüge erfaßt werden ~ aber keine wesenswidrige Aufgabe,
indem die erfaßten Einzelzüge die hinter ihnen stehende Ganzheit nicht
zerstören, sondern eher verdeutlichen.

Aber ein Phänomengebiet, dessen grundsätzliche Unauflöslichkeit derjenigen
des Okkulten völlig gleicht, ist dasjenige der Einfühlung.
Vortr. erörtert eingehend das Wissen vom Du in seinem Evidenz-
Charakter. Er zergliedert die verschiedenen Theorien darüber, die Ana»
logieschlüsse von den Vorgängen im eigenen Ich auf das fremde
Ich übertragten (Herbart, Wundt), und diejenigen, welche mit Lotze
einen direkten Einfühlungsvorgang diesem „Wissen vom Du"
zugrunde legen. Er zeigt mit Lipps, wie dieser Einfühltingsvorgang
psychologisdi^empirisch nicht weiter aufgelöst werden kann — so wie
dies etwa Stern, Volkelt, Prandtl versucht haben. Alle derartigen Versuche
förderten nur einzelne Hilfen beim Einfühlungsvorgang zutage,
ließen aber das Wesen derselben unberührt Man kann aber auch
nicht, wie Lipps es tat, einfach dekretieren: der Einfühlungsvorgang ist
ein unauflöslicher, elementarer Instinkt Wie sollte ein solcher verbürgen,
daß ich midi richtig eingefühlt habe, nicht etwa bloß einer Illusion
verfallen bin — wie z. B. in der ästhetischen Einfühlung? Das Problem
des Wesens der Einfühlung wird auch nicht gelöst, wenn man mit
Dilthey sagt, einfühlendes Verstehen sei eine letzte empirische Erkenntnisweise
, ähnlich wie Sehen und Hören. Das kann sein oder nicht sein:
immer ist eine Voraussetzung allen Einfühlens das unmittelbare,
evidente Wissen vom Du als einem Gleich-mir-Existierenden. Diese
Evidenz ist aus der Naturerfahrung nicht ableitbar und rational
ni ch t auf lös 1 ich. Sie fällt auch nicht mit dem Umkreis des Belebten
zusammen: ein Du ist, wo Leben ist —; denn Belebtheit
heißt, sich schon eingefühlt haben, Leben wird durch die
Vollziehbarkeit von Einfühlung als solches evident; das Du aber bildet
bereits eine Voraussetzung der Einfühlung.

Das Erlebnis des D 14 also ist von einer „intuitiven", rational
unauflöslichen, empirisch unzugänglichen Evidenz getragen, welche auch
alle Einfühlung fundiert. Dies direkte, unmittelbare evidente Bewußtsein
steht in vollkommenem Parallelismus zu all den evidenten Erlebnissen
, in denen Okkultes sich offenbart; es ist das gewohnte, uns nicht
mehr auffällige Korrelat der „supranormalen Fähigkeiten" —- und genau
so wenig erklärbar, genau so sehr eine Voraussetzung möglicher Naturphänomene
wie diese.

Audi die Möglichkeit des Irrtums ist bei beiden Erlebensweisen die
gleiche. Nicht am evidenten Erleben haftet der Irrtum: weder beim
Wissen vom Du noch beim Erleben des Geheimnisses. Vielmehr da. wo
sich dies Erleben mit dem Umkreis der Naturgegebenheiten zur empirischen
Gestalt verbindet, wo also Urteil und Erinnerung falsche
Bahnen einschlagen können.

Es gibt noch andere irrationale Evidenzen, welche ins rational Faßbare
, ins Phänomenale Jiineinquelien, ohne je in ihm zu gründen: sittliche,
ästhetische, religiöse. Hierauf kann nicht eingegangen werden. Wohl
aber muß betont werden: allen diesen Evidenzen liegt eiu Movensdes
Geistes zugrunde, das ihnen gemeinsam ist und das letzte und höchste
Geheimnis: das Schöpferische des Geistes. Vortr. verfolgt seine
Gestaltungen im Erleben des Du — z. B. Liebe, im Erleben des Ewigen,
im Erleben des Geheimnisses, und im Erleben der Totalität, des Weltganzen
. Zu den Gestaltungen dieses Erlebens gehören, was in einer
ärztlichen Gesellschaft besonders zu erwähnen ist, auch die psychotischen
. Die irrational-philosophische Einstellung zum Erleben
der Psychotischen und zu seinen schöpferischen Fundierungen besteht
daher jenseits der biolopisch-ärztlichen zu Rechte: neben dem Mysterium
des Verfalls ist zuweilen das „Mysterium neuen Glanzes" (Ernst
Bloch) gerade hier erkennbar.


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