http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1924/0058
54 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 1. Heft. (Januar 1924.)
halten, ihr Komplement, wie es von seilen einiger Spiritisten angenommen
wird, sondern nur, daß ganz besonders leicht bei Vorhandensein
eines Vorbildes aus festem Stoff ein entsprechendes feinstoffliches
Abbild ideoplastisch erzeugt werden kann. Objekte unserer
Welt können tagelang in dem entstofften Zustande, der vielleicht dem
ätherischen der Alchimisten entspricht, gehalten werden. So sagte
ein Geist Yolande, der bei den Sitzungen der Frau Esperance erschien,
aus (vgl. Seite des oben ei wähnten Buches) , daß der Schal einer
Sitzungsteilnehmerin, den Yolande nach ihrem Erscheinen um die
Schultern genommen hatte und bei ihrem Verschwinden mit de-
niaterialisierte, sich bis zur nächsten Sitzung, unbemerkt von den
blinden 4 Augen der Menschen, im entstofften Zustande im Sitzungszimmer
befunden hätte.
Der Vortragende glaubt, diese durch manche Beobachtungen bei
Apporiphänomenen auch sonst wahrscheinlich gemachte Tatsache für
Erklärung der materiellen GeistgestaUen, die sich zuweilen bei Spuk
in Abwesenheit eines physikalischen Mediums zeigen, heranziehen zu
sollen. Es könnten solche „niederen* Geister ihrem Leichnam Materie
entnommen haben, womit sich der zuweilen beim Wiedererscheinen
von Geistern zeigende Leichengeruch erklären würde. Diese „dunkeln"
Geister, wie sie Seher manchmal wahrnehmen, saugen Od, sind vermutlich
besonders befähigt, auch anorganische Odquellen für sich zu
verwenden, nehmen unter Umständen medialen Menschen Körpersubstanz
und Blut fort (Vampyrtum) und sind entsprechend befähigt,
körperliche Lust (Incubi und Succubi) wie auch Unlust (Uitze, Kälte,
Durst, Schmerz) „an den Orten der Verdammnis" zu empfinden.
Uebcrgehend zur Psychik des Spukes führt der Vortragende aus,
daß, wie schon angedeutet, an vielen Spukorten sich Todesfälle unter
tragischen Verhältnissen ereignet haben und die Geister durch starke
Affekte an den Ort gebunden wären. Sehr häufig hört der Spuk auf,
wenn z. B. die am Spukort aufgefundenen Gebeine iu geweihter Erde
richtig bestattet werden, oder wenn Mörder ein Geständnis ihrer Schuld
abgelegt haben, oder Hinterbliebene ihre Verzeihung für irgendein
Vergehen des Verstorbenen ausgesprochen haben. Es scheint, als ob
ein Mörder oder Selbstmörder, ein Verbrecher oder sonst Schuldgedrückter
, der an den Spukorten sich bemerkbar macht, sich in einem
Zustande befindet, der am ehesten mit dem von Menschen im hypnotischen
Tiefschlaf oder epileptischem Dämmerzustand verglichen
werden kann. Das Bewußtsein der Schuld wirkt als starke Autosuggestion
und engte, wie eine fixe Idee, das Bewußtsein ein. Nicht
eher, als der Monoideismus, wie du Prel diese Erscheinung bezeichnet
hat, durch die Zeit oder irgendein äußeres Ereignis beseitigt ist,
schwindet die Verdunklung des Bewußtseins, die manchmal, wenn es
gar nicht gelingen will, mit dem Geiste Kontakt zu bekommen, an
da3 Stadium der Isoliertheit bei hypnotischen Versuchen erinnert.
Es wäre falsch, aus dem Zustande der an Spukorten auftretenden
Geister allgemeine Schlüsse über jenseitige Verhältnisse zu ziehen.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1924/0058