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68 Psychische Studien, LI. Jahrgang. 2. Heft. (Februar 1924.)
sullate nach induktiver Methode erstrebte und ebenfalls das Tatsachengebiet
der Parapsychologie anerkannte.
Die für die Folgezeit wichtigste Tatsache war die Einführung
naturwissenschaftlicher experimenteller Methoden in der Psychologie,
wie sie in den sechziger Jahren durch die Physiker Fechner und
Webe r und dur<^ die Physiologen und Mediziner II e 1 m h o 11 z und
Wandt erfolgte.
Im Gegensatz zu den grüßen Systemen vom Beginn des Jahrhunderts
steht die mechanische Lebensauffassung und der
Materialismus, der sich gegen die Mitte des Jahrhunderts allgemein
durchsetzte und den Einfluß der spekulativen Philosophie nah zu ausschaltete
. Mit der Einführung des Prinzips der Erhaltung der Substanz
und desjenigen der Erhaltung der Energie (Ii o b e r t Mayer,
Ifelmholtz) wurde der Begriff der Lebenskraft aus der Biologie
ausgeschieden. Hierzu trat 1889 die Darwinsche Entwicklungslehre.
Für die systematische Ausbildung dieser universell mechanistischen
Wirkliehkeitsauffassung setzten sich hauptsächlich Vogt, Moleschott
und Büchner ein (Büchners „Kraft und Stoff
Es entstand eine neue Philosophie der Geschichte: die materialistische
Geschichtsauffassung. Die fortwirkende mechanische
Weltauffassung hielt sich im N e u k a n t i s in u s und machte
am Ende des Jahrhunderts, angeregt durch die Schriften von II ä c kel,
dem sogenannten Monismus Platz (Sammelname für naturwissenschaftlich
orientierte Anschauungen, die bald pantheistisch bald materialistisch
-atheistisch gefärbt waren).
Durch die Disziplin der die Geister beherrschenden, positiven,
mechanischen Naturauffassung war die Kontinuität der Wirkung der
Philosophie in einem solchen Maße unterbrochen, daß es notwendig
wurde, erst einmal ihre Aufgaben und Probleme zu bestimmen.
Der universellste Denker dieser Periode war Wundt, der die
eiuzelwissenschaftlichen Ergebnisse zu einer allgemeinen Weltanschauung
zusammenfaßte und mit gleicher Meisterschaft Natur- wie Geisleswissenschaften
beherrschend ein System entwickelte, in welchem allerdings
der naturwissenschaftliche Einfluß überwog.
Ein zweiter Weg, die Existenz der Philosophie zu reiten, bestand
darin, ihr die Untersuchung der Erkenntnis selbst zur Aufgabe zu
stellen. So kam es zu einer Theorie der Wissenschaft, einer Erkenntnistheorie
, die auf die Wiedererstarkung des philosophischen
Denkens einen entscheidenden Einfluß üb'e. Auf dieso Weise
entstand der Neukantismus (Neokriticismus), eine Richtung
, welche von Riehl, Natorp, Kassierer, Windel-
band, Rickert und Münsterberg vertreten wurde.
Eine zweite erkenntnis-theoretische Strömung war der Empirio-
kriticismus, vertreten von Avenarius und Mach. Hier handelt
es sich um die Wiederherstellung des naiven Realismus. Unter
Ausscheidung des kantischen Dinges an sich identifiziert er die Wirk-
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