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126 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 2. Heft. (Februar 1924.)
der „Vermählung" in Beziehung stehen, soll an anderer Stelle gezeigt
werden.
Schon frühzeitig wird beim Schüler der Magie auf dies Ereignis
der „chymischen Hochzeit" hingearbeitet, z. B. durch Einschleichenlassen
von gewissen Kontrastempfindungen; diese schließen sich zunächst
an die bei jedem Menschen schon vorhandenen Gefühle an,
wie sie z. B. die Begriffe gut und böse, weiß und schwarz, warm
und kalt, Sommer und Winter usw. begleiten. Sie werden dann
mehr und mehr nach innen und zentralwärts geführt und gesteigert
; an ihre Stelle tritt schließlich nach und nach etwas ganz
anderes, ein metaphysisches Wachstum, das man nicht leicht beschreiben
kann. Die Methodik dieser Schulung hat ja zur Aufgabe, etwas
zu entwickeln, das noch nicht in der Anlage da ist, noch nie erlebt
wurde; sie erreicht dies dadurch, daß sie dies Neue mit Hilfe einer
scheinbar ganz naiven oberbewußten Symbolik heranwachsen läßt, ja
die Schulung muß sogar bisweüen dazu schreiten, die zu erlangenden
positiver? Seelenelemente durch deren negative Aequivalente aus der
alltäglichen Vorstellungswelt herauszufordern; denn es ist ja zunächst
unmöglich, an einem Organ zu arbeiten, das noch gar nicht vorhanden
ist, keinen Angriffspunkt in der oberbewußten Willenssphäre
besitzt. Was aber erzielt wird, ist schließlich eine gewisse Mazeration
des Seelischen, besser die Schaffung einer Polarität oder einer künstlichen
Spaltung des Seelischen (Schizophrenie), die dann zu einer
Wiedervereinigung auf einer höheren Stufe führt (ganz alchemistischl).
Dies geschieht durch gewisse Uebungen. die — vielleicht auf dem Umweg
über den Sympathikus — an bestimmte Regionen des Seelischen anpochen
, die aber wo ganz anders, an Stellen, wovon der Schüler zunächst
keine Ahnung hat, ein Echo hervorrufen sollen. Durch eine
Reihe von Prüfungen, Proben, Versuchungen, die keine äußeren, sondern
innere Erlebnisse darstellen (Christus in d^r Wüste, Buddha
unter dem Bodhibaum, der hl. Antonius usw.), werden dann allmählich
immer höhere Stufen der Initiation errklommen.
Im weiteren Verlauf des Vortrages wurden die Stufen dieser Schulung
in verschiedenen Zeitaltern, Ländern und Systemen miteinander
verglichen, und es wurde auf die Wiederkehr gleichartiger Elemente
in ihnen hingewiesen. Neuere Versuche, selche Schulung zu ermöglichen
, wurden kurz gestreift. Die allen Zjmörern auf der Zunge
schwebende Frage: „Gibt es solche okkult geschulten Personen" und
„Wo sind solche zu finden1, konnte selbstverständlich nicht umgangen
werden. Es mußte leider zugegeben werden, daß der D. G.
W. 0. keine „Adepten" zur Verfügung stehen, der Vortragende ließ
jedoch durchblicken, daß da oder dort, für den richtig Suchenden
und innerlich Gereiften immerhin Menschen zu finden seien, die eine
okkulte Schulung genannter Art genossen und auch greifbare Erfolge
erzielt hätten. Solche Personen stammten jedoch aus Kreisen, die
auf wissenschaftliche Nachprüfung okkulter Phänomene keinen Wert
legten und daher wenig zugänglich seien; sie fühlten sich mit ganz
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