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Elster: Der dreifache Weg der Begründung der Geisterhypothese. 167
kennen, so sehen wir, wie relativ unsre Erkenntnis ist; so erkennen
wir also, daß wir uns mit unserem Gefühl und Ohr und Auge an
die relative Festigkeit der Erde angepaßt haben, wie wir uns erklär-»
licherweise ja auch an die Drehung der Erde angepaßt haben, so daß
es also kein Gegenbeweis ist, wenn wir Mauerwerk und Bäume als verhältnismäßig
dicht und fest ansehen. Wir überschätzen ja das Auge
als Beweismittel9) und die Bedeutung der groben Materie überhaupt
allzusehr, und wir kommen mit diesen Erwägungen schon unmerklich
aus dem physikalischen in das biologische Gebiet. Jedenfalls darf
aber auch hier zunächst festgestellt werden, daß innerhalb des irdischen
Stoffes und unbemerkt von unseren fünf Sinnen noch sehr viel
Platz für Erscheinungen ist, deren Existenz wir zunächst nicht nachweisen
können. Dazu kommt aber ein Weiteres: die Kraftwirkung
physikalischer — namentlich elektromagnetischer — Natur beruht auf
dem Zusammentreffen zweier Pole: des positiven und des negativen
Pols, und auch diese Erscheinung finden wir im biologischen Kreise
wieder.
3. Biologisch ist daran zu erinnern, daß das Protoplasma — der
Urstoff des Lebens — zunächst das Bestreben hat, durch Teilung sich
fortzupflanzen, und daß sich erst allmählich daraus männliche und
weibliche Kräfte bildeten, die sich zusammenfanden, um das Leben
auf immer höhere Stufen zu fuhren. Was in der Untersuchung der
okkulten Probleme bisher noch vielfach gefehlt hat, war eine Art
philosophischer Biologie, die sich durchaus nicht von den exakten
Grundlagen Joslösen und etwa nur deduzieren will, sondern die induktiv
weiterforscht auf der Basis der modernsten Lehre der Bio-
logen10). Das „biogenetische Grundgesetz" lehrt, daß bei der Entwicklung
des menschlichen Embryos sich sämtliche Entwicklungsstadien der
Lebewesen auf der Erde bis zum Menschen abgekürzt bzw. auszugsweise
wiederholen. In dieser überaus bedeutungsvollen deszendenz-
theoretischen Erkenntnis liegt nicht nur ein Dokument der Vergangen-
heit, sondern ebensogut ein Dokument der Zukunft;
denn wenn beispielsweise der Embryo des Orang-Utang — was die
Vergangenheit anlangt — dieselben Elemente wie der menschliche in
sich trägt und nur das letzte Stadium nicht mitzumachen fähig ist,
9) Nicht ate lebenswichtiges Organ*, als welches es unschätzbar ist,
sondern als Erkeninungsmittei für geistige Dinge, für die es — vgl. die
obigen Angaben über den kleinen Bruchteil der Sichtbarkeit der
Spektralstrahlen — eben unzureichend ist; ein starker Gegensatz des
Organischen und des unten zu besprechenden Transorganischen!
10) Vieles und für uns sehr Aufschlußreiches hat in dieser Hinsicht
Carl Ludwig Schleich geleistet, der z. B. in seinem Buch
vDas Ich und die Dämonien", Berlin 1920, (oder „Von der Seele" und
„Vom Schaltwerk der Gedanken"), Physik, Physiologie und Psychologie
in weitausschauender Weise verbindet und zu neuen Erkenntnissen
synthetischer Art hinführt. Auf dem Zusammenhangsgebiet des Sozialen
und Btoloigischeti versucht ähnliches mein Buch ,,$ozialhfc>Iogie".
Berlin und Leipzig 1923.
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