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178 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 3. Heft. (März 1924.)
Der Anblick des Schemas ergibt ohne weiteres die Möglichkeit
einer dritten Wirkungsiinie, der 7 -Linie. Dies wäre die Wirkungslinie
der parapsychischen Phänomene. Was bedeutet sie?
Der Vorgang -j~T wäre identisch mit jeder, eine Veränderung in
den Weltdingen hervorrufenden Einwirkung eines Ichs ohne Vermittlung
d^s Körpers, der Vorgang — y wäre die Einwirkung eines Dinges
der Umwelt auf unser Ich (Wahrnehmung) ohne Vermittlung unseres
Körpers (Sinnesorgane).
Es wird behauptet, das Gehirn sei der Sitz des Bewußtseins. Es
erregt die Verwunderung des physikalisch geschulten Dinkers, zu hören,
daß man eine unmeßbare Qualität örtlich definieren zu können
glaubt. Sollte man hier nicht doch den Ort der Erscheinung
mit dem Sitz der Ursache verwechselt haben? Die Veranlassung
hierzu könnte sehr einfach darin gefunden werden, daß bei Vergiftung
oder Zerstörung des Gehirns die Bewußtseinsfphänomene aufhören
. Diese Tatsache beweist aber, in aller Strenge erwogen, nur,
daß das Gehirn zwar die Voraussetzung aber nicht die Ursache
des Erscheinungskomplexes „Bewußtsein" ist. Populär
ausgedrückt: Das Erlöschen einer, beispielsweise durch elektrische
Wellen zum Leuchten gebrachten Vakuumröhre infolge Zerstörung des
Glaskörpers, läßt nicht den Schluß zu, daß jetzt auch die Sendestation
ein Ende gefunden hat.
Die von Zöllner durch seine Annahme einer vierten, also einer
außerhalb unseres dreidimensionalen Raumes liegenden Dimension als
scheinbar interpretierte Durchdringung der Materie erscheint in einem
ganz merkwürdigen Lichte, wenn wir uns auf Grund der modernen
Atomforschung vergegenwärtigen, daß im dichtesten Stoffe, den wir
kennen, im Platin, bei Vergrößerung seiner Atome auf die Dimension
von Sandkörnern nur etwa 1000 in einem Würfel von 125 000 Kubik-
kilometern Inhalt enthalten sind. Würden wir alle Atome der Substanz
unserer Erde zusammenpressen, daß eines am anderen liegt, so könnte
die ganze Materie, aus dem unser Planet besteht, in einem Konzertsaal
mittlerer Größe Platz finden.
Das Bestreben, Phänomene in der Weise zu „erklären", daß man
das Unbekannte auf Bekanntes zurückführt, kann verhängnisvoll werden.
Diese Form des „Erklärens" beruht nämlich auf der Hypothese, daß
alles, was wir nicht wissen, eine Funktion dessetf
ist, was wir wissen. Diese Hypothese ist ungeheuerlich, und
man muß sich endlich einmal darüber klar werden, daß sie in dieser
kategorischen Form sicherlich falsch ist. Die Wahrscheinlichkeit, daß
alles Unbekannte eine Funktion der Geda'nken ist, ist mathematisch Null.
Dies wird von den Gegnern der parapsychischen Forschung geflissentlich
übersehen, indem sie den Standpunkt vertreten, daß eine Erscheinung,
weil sie auf Bekanntes nicht zurückgeführt werden kann, entweder eine
Illusion oder ein Betrug sein muß. Höchstwahrscheinlich sind die
weitaus meisten aller unserer „Erklärungen" von Phänomenen, eben
weil wir, das, was wir nicht wissen, mit dem Wenigen „erklären"
wollen, was wir wissen, falsche oder bestenfalls geistreiche Analogien
Kleine Mitteilungen.
Die Gesellschaft für psych. Forschung e. V. in München, wählte
in ihrer Jahreshauptversammlung die bewährte Vorstandschaft aufs neuer
(Herren Wohlfart, Lucas, Frl. Holzberger) und überreichte am 14.
Dez. 23 Herrn General Peter die Urkunde für das Ehrenpräsidium,
faden Monat finden mehrere au^ewählte sachgemäße Vorträge namhafter
Redner statt. Die Gesellschaft nimm* an Mitgliedzahl weiterhin
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