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196 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 3. Heft. (März 1924.)
in seinem soeben erschienenen Grundriß der Parapsychologie (Union,
Deutsche Verlagsgesellschaft, 1923): „Bei diesen Experimenten muß
man immer an Betrug denken. Die anderen Wissenschaften leiden nicht
unter diesem erbärmlichen Gebrechen. Sie entwickeln sich friedlich
und kenne« an Schwierigkeiten nur solche, die von den Dingen ausgehen
, während die Gelehrten, die mit Medien experimentieren, niederträchtigem
Betrug ausgesetzt sind/*
Der Grunde für diese großen Betrugereien oder kleinere Nachhilfen
, nach denen in allen Fällen zu fragen nötig ist, gibt es recht
viele; und dazu tritt noch die Bizarrerie einer anderen Fragestellung,
einer generellen. Die erste befaßt sich nur mit dem speziellen Betrugsverdacht
gegenüber einem einzelnen „Medium", wo die Frage lautet:
Ist heute betrogen worden oder nicht? Die generelle Frage aber, deren
Beantwortung nicht nur die Schuld des Inkulpaten, sondern das ganze
Problem erhellen soll, und deren Va!enz deshalb von allen ihren
Kennern betont wird, muß heißen: Besitzt der Prüfling, auch wenn
er heute betrogen hat, trotzdem anderswo als real erprobte mediale
Funktionen? Ist er ein echtes Medium quand meme? Denn es gilt
als sicher, daß auch die sogenannten klassischen, großen Medien, die
Florence Cook, Slade und Egiinton, die Eusapia und die Linda Gazerra,
Eva Carräre und die d'Esperance gelegentlich alle eines Betruges
überführt worden sind, entweder im somnambulen Trancezustand der
Unverantwortlichkeit, aus nicht immer ganz klaren Motiven, oder auch
bewußt betrügend, wenn sie, nach einer langen erfolglosen Sitzung
erschöpft, glaubten, den mit Erwartungsaffekten geladenen Teilnehmern
etwas vormachen zu können oder gar zu müssen. Ein falsch verstandener
künstlerischer Ehrgeiz des Gentleman-Mediums, oder eine
Existenzfrage für das gewerbsmäßige!
Daß es aber erfahrenen Beobachtern in einer größeren Versuchsreihe
möglich ist, jedem Schwindler, auch dem genialsten, der sich
selbst vertraut, oder dem mit Komplicen arbeitenden Trickmedium in
die Parade zu fahren, darf als ausgemacht gelten, und darin scheinen
die Skeptiker mit ihren Gegnern übereinzustimmen. Keine Ueberein-
stimmung aber ist zu erzielen über die Art des zur Ueberführung
notwendigen Beweismaterials. Der Skeptiker mit seinem leise schlummernden
Wunsche, einen Schwindler entlarven zu können, begnügt
sich mit dem Indizien-Beweis der negativen Tatsachen; wenn nämlich
unter seinen besonders schwierigen und das Medium psychisch hindernden
Versuchsbedingungen sich kein Phänomen ergibt, dam ist es ihm
eine res judicata. Der Parapsychologe dagegen verlangt wohl mit
Recht den zwingenden Nachweis eines Betruges in flagranti (und forscht
dann trotzdem noch unter Umständen weiter nach der Motivation des
Betruges).
Schulbeispiele für die Anwendung der beiden Methoden könnten
die Fälle Laszlo und Guzik bieten. Der Ungar ist ertappt worden
und hat eingestanden. Er hat also zweifellos * betrogen. Gut und
schön. Und doch könnte noch geforscht werden, ob er in früheren,
Versuchen Urheber realer Phänomene war. Schrenck-Notzingi
hat sich inzwischen schon dafür erklärt und wird wohl seine Annahme
bald begründen müssen, wofern nicht seine Gegner mit ihrer
Version Recht behalten sollen, daß Laszlo von Anfang an und auf ihre
Veranlassung, vielleicht mit Hilfe von Komplicen, auch den Baron
betrogen habe. Man wird also noch ein wenig warten müssen, bis
man klar sehen kann.
Dem Polen Guzik gegenüber aber scheinen nur die Indizien negativer
Tatsachen vorzuliegen. Dr. Wilhelm Neumann, ein Arzt aus
Baden-Baden, hat vor einigen Wochen in der „Berliner Aerzte-Gesdl-
sehaft für parapsychische Forschung11 über seine eigenen Versuche
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