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198 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 3. Heft. (März 1924.)
Das Medium Laszlo.
Charlottenburg, 4. Februar 1924.
An die Redaktion der „Vossischen Zeitung**.
Der ausgezeichnete, von hohem sittlichen Ernst getragene Aufsatz
Robert Prechtls in der Sonntags-Ausgabe Ihrer Zeitung hat endlich
das giftige Gewölk zerteilt, das über der Affäre des entlarvten Budapester
Mediums Laszlo brütet und den Weg geebnet für eine sach'
liehe Auseinandersetzung zwischen Verfechtern und Bekämpfern des
Okkultismus. Es sei mir als einem, der sich seit 5 Jahren der Erforschung
dieses wichtigen Tatsachengebiets experimentell, literarisch und
organisatorisch gewidmet hat, und der für die Echtheit der von ihm
untersuchten Phänomene eintritt, gestattet, vom Standpunkt des Praktikers
zu den Ausführungen Prechtls Stellung zu nehmen, und zwar unabhängig
von Eh*. Freiherr von Schrenck-Notzing, der im Februar-
und Märzheft der „Psychischen Studien" eine eingehende Darstellung
des Falles bringen wird und sich gewiß auch zu den Ausführungen
Prechtls äußert.
Das meiste, was Prechtl ausführt, ist mir aus der Seele gesprochen
und wird, denke ich, auch die Zustimmung derjenigen Kreise findefnj,
die die „Deutsche Oesellschaft für wissenschaftlichen' Okkultismus" und
die „Berliner ärztliche Oesellschaft für parapsychische Forschung*4 als
Kristallisationspunkte für die exakte experimentelle Richtung der Okkultismusforschung
ins Leben gerufen haben. Einiges — sehr gut gemeint
aber nicht den Dingen, wie sie sind, Rechnung tragend — fordert zum
Widerspruch heraus.
Prechtl fordert alle ernsthaften Experimentatoren und Medien auf,
den Wahrheitsbeweis für die von ihnen behaupteten okkuifen Tatsachen
vor der höchsten Instanz eines wissenschaftlichen Tribunals und vor
dem Forum der ganzen Welt anzutreten. Dieser Oedanke hat viel
Bestechendes, aber es fragt sich, ob die Zeit hierfür schon reif ist. Bei
der gegenwärtig herrschenden Atmosphäre kann niemand die Gewähr
dafür geben, daß nicht die Verfechter okkulter Tatbestände etwa die
Rolle Deutschlands auf der Versailler Konferenz spielen, daß sie hochnotpeinlich
vorgeladen werden, um sich von der Beschuldigung des Betruges
oder der Selbsttäuschung zu reinigen. Dies hat ein Forscher,
der nichts weiter tut, als für das von ihm als wahr Erkannte mit der
Kraft seiner Persönlichkeit einzutreten, nicht nötig, zumal solange die
Wissenschaft sich noch nicht die Mühe gemacht hat, sich über das
bereits vorliegende Material zu informieren und sachlich zu äußern^
Die Fülle dessen, was die letzten zehn Jahre auf diesem Gebiet zutage
gefördert haben (mag neben dem Weizen auch noch viel Spreu zu
konstatieren sein) wird als nicht vorhanden gerechnet. Bloß der Ausfall
des großen internationalen Okkultismusexamens soll entscheidend
sein für den Ausgang einer der lebenswichtigsten Menschheitsfragen.
Ist denn die Kommission der Weisheit letzter Schluß? Haben Kommissionen
nie geirrt? Und die Wahrheit ist doch marschiert und hat
ihre Triumphe gefeiert über Kathederweisheit und Oelehrtendünkel.
Wer sind denn die berufenen Sachverständigen? Wissenschaftliche
Kapazitäten, die auf ihren Spezialgebieten Weitruf genießen, aber weder
theoretische noch experimentelle Erfahrung auf dem einschlägigen Gebiet
besitzen, Dialektiker, deren Lebensaufgabe darin besteht, unter allen
Umständen die für ihr Dogma unbequemen Tatsachen der Para-
psychologie mit drei Sch'agworten aus der Welt zu diskutieren, passionierte
Jäger auf Taschenspielertricks, Personen, die gar nicht anders
können, als das Amt des Richters mit dem des Anklägers zu verquicken
? Oder nicht vielmehr diejenigen, die über jähre- und jähr-
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