http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1924/0234
224 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 4. Heft. (April 1924.)
spektionsreise sich befand, von tinbekannten Mächten mit
Sirih (rotem Betelspeichel) bespuckt wurde. Das Kind war,
da der Vater als Koch angestellt war, dauernd im Hause."
Bald darauf fingen auch einzelne Steine an zu fallen. Ein
leinheimischer 'mohammedanischer Priester, der, um den
Geist zu beschwören, bei Lampenlicht im Koran lesen wollte,
erhielt von einer unsichtbaren Hand einen Schlag, daß Buch
und \Lampe nach verschiedenen Seiten flogen. Als Frau
v. K. darauf, von Furcht ergriffen, mit dem Kinde das Haus
verließ, blieb alles ruhig, auch im Hause des eingeborenen
Regenten (Häuptlings), bei dem sie übernachtete. In ihrem
eigenen Hause jedoch begann, sobald sie zurückgekehrt war,
der Spuk von neuem.
Der vom Generalgouverneur B a u d mit der Untersuchung
des .'-Falles beauftragte nachmalige General M i c h i e 1 s ,
tnaf alle erdenklichen Maßnahmen, um nicht von einem Unfugs
tiftei hinters Licht geführt zu werden. Er ließ das Haus
ausräumen und umzingeln, postierte Wächter auf dem Dach
und auf in der Nähe befindlichen Bäumen, dann wurde das
Zimmer, in dem er sich aufhielt, an Decke und Wänden
mit Leinen ausgeschlagen (das Haus war ein Holzhaus) und
trotzdem fielen die Steine nach wie vor. Auch das Sirih-
spucken dauerte an, hatte aber immer nur das kleine Mädchen
zum Ziel. Von den Steinen wird berichtet, daß es gewöhnliche
Feldsteine waren, die bei Sonnenschein noch
wann, bei Regen feucht gewesen sein sollen. Sie seien
gruppenweise zu fünf bis sechs Stück und immer fast senkrecht
gefallen, ohne daß der Leinenüberzug an der Decke
verletzt wurde. Was aber das merkwürdigste ist: sie wurden
immer erst fünf oder sechs Fuß (etwa zwei Meter), über dem
Fußboden sichtbar. Einmal fiel auch eine Papaiafrucht, die
von einem in der Nähe befindlichen Baume frisch abgebrochen
war*) und ein andermal ein Stück Mauerkalk, das
in eine frische Oeffnung der äußeren Küchenmauer paßte.
Der erwähnte amtliche Bericht ist übrigens, dem von mir
heran gezogenen Artikel zuf olge, aus dem javanischen Archiv
verschwunden. An der Stelle, wo er hingehörte, fand sich
später ein Vermerk, daß er vom Generalgouverneur Baud
jmit nach Holland genommen sei. Vermutlich um den damaligen
König von Holland, Willem II. für die Sache zu
interessieren. Denn es erging später der Befehl, daß nochmals
versucht werden solle, die Sache aufzuklären.
*) Der Papaiabaum (Cavica, Meloncnbaum) ist ein pa'menartigper
Baum von der Höhe eines kleinen Hauses. Sein Stamm ist aber im
Gegensatz zu Palmenstämmen markig-weich, so daß er nach dem
Urteil meines Gewährsmannes die Last eines Erwachsenen nicht zu
trage» vermöchte, von einem Kinde allerdings zu erklettern wäre.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1924/0234