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Kindborg: Die Spukereignisse auf Java. 227
Hierzu bemerkt die Zeitung weiter:
„Vielleicht steigen bei manchem Leser dieser Lektüre dieselben
Fragen auf, wie bei uns: Wie kommt es dann, daß die eingeborenem
Häuptlinge dies nicht wissen? Oder gehört die ganze indische Bevölkerung
einem Geheimbunde an, der die Bedingung und Verpflichtung
auferlegt, die Europäer in solche Sachen nicht einzuweihen, trotz
der ausgesetzten Belohnungen? Wie kommt es, daß die Regierung
so einfältige Männer wie General M i c h i e 1 s mit der Untersuchung
betraut oder solche unfähige Beamte wie von Kessinger usw.
anstellt, die tagelang an Ort und Stelle untersuchen, ohne die Ursache
zu entdecken, während ein Professor aus Leyden in seinem
Studierzimmer mit einem Federstrich und großem Scharfsinn sie enthüllt
und „javanische Fingerfertigkeit" tauft? Eine Fingerfertigkeit
die das Begriffsvermögen der Europäer weit übersteigt. Auch das
von Professor Veth? Oder ist dieser Hochgelehrte kein Europäer?
Wie kommt es dann, daß solche Sachen sich auch in Europa ereignen?
Oder muß auch dies der javanischen Fingerfertigkeit zugeschriebein
werden? Bejahendenfalls müßten wir allerdings ehrlich bekennen, daß
der Professor recht hat, denn solche Geschicklichkeit würde unsere
Begriffe übersteigen."
„In Wirklichkeit kommen auch in Europa uind selbst in unserem
Holland und zu allen Zeiten ähnliche Fälle vor. Das geheimnisvolle
Steinwerfen scheint Jahrhunderte alt zu sein. Bereits beim Orakel zu
Amphiaraos*) wurde der Wille der Götter durch Werfen bekanntgegeben
. Augustinus erzählt, daß in seiner Diözese auf dem Landgut
eines gewissen Hasperms die Menschen auf ähnliche Weise beunruhigt
wurden. Zur Zeit Theoderichs des Großen wurde das Haus des
Arztes Epidus zu Ravenna durch geheimnisvolles Steinwerfen unbewohnbar
gemacht Cäsarius, Bischof von Arles, wurde nebst vielen
anderen in der Nähe eines Bades so heftig mit Steinen beworfen,
daß sich niemand mehr in die Nähe des Bades wagte. Der Presbyter
Georg erzählt, daß die Bedienten eines gewissen Theodoras sehr beunruhigt
wurden, dadurch, daß große Steine auf den Tisch und in
die Schüsseln geworfen wurden. Aehnliches ereignete sich im Palaste
des Bischofs Hubertus in Luik. Siegbert de Gombours berichtet von
einem Hause Camonz bei Bingen, wo so geworfen wtrrde, daß der
Bischof von Mainz um Hilfe angegangen wurde. Wilhelm von Paris
erzählt vom Steinwerfen 1447 zu St. Paul bei Poitiers. Nach Torque-
moda (es soll wohl Torquemada heißen, Verf.), der Augenzeuge war,
wurden 1560 von einem Hause in Salamanca eine Menge Steine abgeworfen
, die zwar niemand trafen, aber doch viel Ungemach verursachten
. Ein Alguacil (Amtsdiener, Verf.), der mit 20 Mann die
Sache zu ergründen suchte, warf einen der größten der gefallenen!
Steine über das Dach eines gegenüber liegenden Hauses mit dem
Ausruf: „Bist du der Teufel oder ein Kobold, so sende mir diesem
Stein zurück." Im selben Augenblick kam der Stein zurück und traf
den Alguacil vor die Brust, was viele sahen. Zu Naumburg in Ungarn1
1666, bei Georg Walten in Portsmouth 1682, in der Wohnung von
Andreas Wolz in- Totingen, 1689 zu Woodsteck zu Cromweils Zeit**)
bei Luther auf der Wartburg und an vielen anderen Orten und Zeiten
ereigneten sich dieselben Sachen in Europa/'
*) Das holländische Blatt begeht hier einen kleinen Irrtum.
Amphiaraos ist, wenigstens meines Wissens, kein Ortsname, sondern
der Name eines altgriechischen Sehers, zu dessen Andenken ein Heiligtum
mit Orakelstätte, das Amphiareion, diente. Der Verfasser.
**) Auch bei Lombroso erwähnt. (Hypnotische und spiritistischei
Forschungen J. Hoffmann, Stuttgart, Seite 317.)
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