http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1924/0249
Kleine Mitteilungen.
239
liehen Okkultismus wiederholt. Ein kurzes Referat bleibt wegen der
Bedeutung des Themas und des Redners noch vorbehalten.
Dr. Max von Kreuseh in Be<lin, der bekannte Graphologe und
Charakterforscher, gibt ein neues Organ heraus, das zunächst zweimonatlich
erscheinen soll, den „Nachrichtendienst für Charakterologie!
und verwandte Disziplinen". Es bringt Vorträge, Versammlungsberichte
, Referate und Diskussionen für die Leser der von demselben
Autor herausgegebenen Bibliothek für praktische Menschenkenntnis.
Adresse für Interessenten: Berlin S. 59, Freiligrathstr. 5.
Zeitschriften übersieht.
In der „Voss. Zeitung" vom 19. März wurde folgender ausgezeichneter
Aufsatz veröffentlicht:
Glaubenschaft oder Wissenschaft.
Von Robert Prechtl.
Kurz, nachdem zur Freude aller Gegner okkulter Erforschungen
der „Fall Laszlo" sich -ereignet hat, erscheint im Verlage Union,
Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart, Schrenck-Notzings neues
Buch: „Experimente der Fernbewegung". So sehr das
erstere Vorkommnis geeignet ist, der Sache des Okkultismus zu schaden
— so sehr ist diese Veröffentlichung geeignet, sie zu fördern. Denn
niemals noch sind, nach den Worten eines in Literatur und Praxis des
Mediumismus bewanderten und als nüchtern und skeptisch erwiesenen
Mannes, D i n g w a 11, „mediale Erscheinungen unter so vollkommenen
Kontrollen konstatiert worden". Dingwall ist von der Englischen Oesellschaft
für psychische Forschung als Outachter nach München entsandt
worden, um an Experimenten mit dem Medium Willi teilzunehmen. Ucber
diese Experimente erstattet das Buch Bericht.
Was diesem Buch seinen entscheidenden Wert gibt, ist die Wiedergabe
von sechzig Berichten derjenigen Personen, die an diesen Experimenten
teilnahmen. Die Berichterstatter sind neunundzwanzig Hoch-
schuiprofessoren (der Medizin, der Physik, der Cfiemie, der Zoologie,
der Philosophie, der Psychologie, der Physiologie, der Rechte), elf
Aerzte, zwei Anwälte, drei Pädagogen, sechs Schriftsteller, fünf Privatforscher
, der vorerwähnte Dingwall. '
Es soll hier nicht etwa dem Titel-Fetischismus Vorschub geleistet
werden, denn gerade in okkultistischen Kreisen hat der Aberglaubef
schon genug Unheil angerichtet, Beobachtungen und Erfahrungen seien
schon deshalb zuverlässiger und glaubwürdiger, weil sie von einem*
Gelehrten oder von einem Arzt gemacht wurden. Aber die Ueber-
einstimmung so zahlreicher, aus so verschiedenen Disziplinen stammender
, so verschieden eingestellter Personen in bezug auf Experimente
mit demselben Medium, unter denselben Bedingungen, mit denselben
Zielen: das ist ein Faktum, an dem niemand vorübergehen kann, der
nicht voreingenommen, leichtungläubig, bequem, feige ist. „Wie ungeheuerlich
die Phänomene auch denen erscheinen, die nicht mit der
Masse des Beweismaterials bekannt sind, so ist es für einen wissenschaftlich
denkenden Menschen unmöglich, sie zu ignorieren," sagt
abschließend Dingwall, der den berühmtesten Medien der letzten Jahrhunderte
gegenüber skeptisch geblieben ist.
Das Medium Willi ist heute ein zwanzigjähriger Bursche aus
einer Kleinbürgerfamilie. Milieu spiritistisch belastet. Schrenck hat ihn
zum Experimental-Medium „erzogen", das heißt, ihn in seinen Vorführungen
wissenschaftlicher Methodik zugänglich gemacht. Ob und
inwieweit dies Ziel erreicht wurde, darüber werden die Meinungen
auseinandergehen; dies Ziel gesteckt und sich ihm genähert, zu seiner
Erreichung nicht Mühen und Kosten gescheut zu haben: das ist ein
unzweifelhaftes großes Verdienst Schrencks. 16*
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1924/0249