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Vom Büchertisch.
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müdenden Wiederholungen im Text miteinander vergleicht, wird die
stufenweise Entwicklung dieses Kampfes leicht beobachten können.
Das alles aber mindert den Wert dieser ungeheuren Lebensarbeit
keineswegs, und gerade weil der Verfasser sie so ehrlich vor uns hinlegt
, muß man ihm dankbar sein; denn es ist besser, daß gerade er
uns mit einem Stoffreichtum beschenkte, von den^ man nicht sagen
darf, daß er „mehr mit Begeisterung als mit Kritik"' beobachtet wurde
(Seite 458) und von dem er immer wieder behauptet, daß er eher ein
.„widerspenstiger, mißtrauischer und strenger Zeuge" gewesen sei, ja
oft „von dem Wunsche beseelt, die metapsychischen Erscheinungen verneinen
zu können". Wenn sich ein Geist wie dieser beugen mußte vor
den „vielen Hunderten von strengsten Experimenten", so dürfen auch
wir ihm ohne weiteres folgen, wenn auch nicht auf die Bahn seiner
übervorsichtigen Vermeidung aller Schlußfolgerung. Aber den Gegnern
dieser jungen Wissenschaft darf darum auch gerade e r mit
vollem Recht entgegenhalten, daß er Achtung vor Tatsachen verlange,
und ausgezeichnet kennzeichnet ei die ganz anders geartete „Lust am
Verneinen 4 bei seinen Gegnern. „Es wäre lächerlich, zu sagen," meint
er (Seite 461), „daß die Reizung der Netzhaut keine Gesichtsempfindung
hervorbringe, aber es ist nicht lächerlich zu behaupten, daß auch
eine Gesichtsempfindung entstehen könne, ohne daß die Netzhaut gereizt
wird." Und solche positiven Tatsachen stellt die Wissenschaft eben
fest, und die „Negationen haben nicht das Recht, sie zu leugnen, wo
wir doch jeden Augenblick auf tiefste Geheimnisse stoßen".
Soviel zur Kennzeichnung dieser gewaltigen Lebensarbeit, denn
das Werk Richets i s t die Uebersicht über seine Lebensarbeit auf
diesem Gebiet. Ich habe es nicht unterlassen, auf einiges hinzuweisen,
was wie ein Mangel an diesem Werk aussehen möchte, und was ihr
den Vorwurf allzu geringer Sorgfalt sicher eintragen wird; aber ich
habe auch darauf hingewiesen, daß gerade dieser Mangel ein Vorzug
dieses Werkes sein möchte, das dadurch zu einem lebendigen
Zeugnis tiefernsten Ringens eines wahrlich ernst zu nehmenden Mannes
zu gelten habe; und daß dieses Ringen so ungeschminkt vor unseren
Augen liegt, ist besser, wie wenn wir eine glatt geschliffene klare
Fläche vor uns hätten, über die wir fast, ohne selber nachdenken zu
brauchen, mühelos hinweggteiten würden. Und so möchte ich glauben
man wird dieses Buch gerade wegen seiner Mängel liebhaben und immer
wieder als eine unschätzbare Fundgrube beim Studium der sogenannten
übersinnlichen Erscheinungen nicht missen wollen.
Dr. Marcinowski Heilbrunn (O.-B.).
Eberhard Büchner, „Von den übersinnlichen Dingen." Verlag
Felix Meiner, Leipzig. 1924.
Selten habe ich ein Buch über die geheimnisvolle Welt des übersinnlichen
Geschehens mit solcher Befriedigung aus der Hand gelegt
wie dieses, soweit es sich nicht bloß um die Kenntnisgabe ernster
Forschungsergebnisse ernstzunehmender Forscher handelte. Die meisten
die wie auch dieses eine Uebersicht über das ganze Gebiet der
okkulten Erscheinungen geben wollen, waren entweder unerfreulich
durch die Unbelehrbarkeit ihres Standpunktes, durch die unvornehme
Form einer Kritik, die als Torheit ablehnt, auch nur nachzuprüfen und
ohne Achtung vor wissenschaftlicher Arbeit dasteht, die ihr eigenes
Hirn überragt, und in der Kritik darum eine Form wählt, wie sie in
guter Gesellschaft sonst nicht üblich ist, oder die Bücher sind unerfreulich
nach der anderen Seite hin, weil sie kritiklos nur auf die Sensationsgier
ihrer Leser rechnen und dieses ernste Gebiet wohl auch
nur selbst mit sensationslüsternen Augen durchforschen. Mit der Papierschere
geschrieben, hinterlassen sie dort allzu oft den peinlichen Beigeschmack
mangelnden Ernstes in der Richtung auf allzu bereitwillige
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