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248 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 4. Heft. (April 1024.)
Leichtgläubigkeit, wo es für die erste Gruppe ausschließlich Betrug
tind verblüffende Dummheit seitens der wissenschaftlichen Beobachter
fibt. Auch das Buchnersche Buch reiht auf seinem Wege durch das
ganze Gebiet des Uebersinnlichen Beispiel an Beispiel, aber nicht, um
die gespannte Neugier von Seite zu Seite immer mehr zu steigern, sondern
um an der Hand wohl belegter Forschungsergebnisse Schritt für
Schritt fast zögernd und vorsichtig und doch in einer klugen feinen
und vornehmen Art den Leser mitzunehmen auf den Entwicklungsgang
eignen Bemühens, die rätselhaften Gebilde des Okkulten einzugliedern
in unser Weltbild, oder dieses umzubauen und dem Neuerkannten anzupassen
, soweit unumstößliche Tatsachen dazu zwingen. Vorsichtig
tsnd klug nannte ich dies Buch, nicht aber in dem Sinne, wie sich manche
bei solcher Gelegenheit zwischen zwei Stühle zu setzen pflegen, sondern
wie es einer vornehmen wissenschaftlichen Natur zu eigen ist
die von unbedingtem Wahrheitsstreben erfüllt ist, aber zugleich auch
voll Ehrfurcht vor Tatsachen, die denn doch gelegentlich all zu wuchtig
in unser Denken und Fühlen hineinbrechen, um anders behandelt werden
zu dürfen. Und so ist der Inhalt des Werkes schließlich etwas ganz
anderes als das Inhaltsverzeichnis verspricht, nämlich keine bloße übersichtliche
Aufzählung eines riesigen auf einige 330 Seiten zusammengepreßten
Materials vom Zauberaberglauben über Magnetismus und
Hypothese, Telepathie und Hellsehen und Anthroposophie bis zum Spuk
und den Materialisationsphänomeuen, sondern kaum merklich nimmt der
Verfasser uns gefangen und lehrt uns mitzudenken und jedes anregende
Beispiel wird zu einem neuen Baustein, und so wird zum Schluß doch
so etwas wie ein festes Gebäude daraus. Wenn es auch naturgemäß
noch nicht vollendet sein kann, die Grundmauern liegen doch schon
fest, und die Baugerüste lassen schon ahnen, wie das Ganze einst aussehen
wird, wenn kommende Jahrhunderte auf den Schultern unserer
heutigen Forschung weitergebaut haben werden.
Ob die Architekten, die auf diesem Fundament weiter arbeiten,
sich schließlich für die spiritistische oder für die animistische Auffassung
entscheiden werden, diese Frage läßt der Verfasser naturgemäß
noch offen. O'irre entwertende Polemik stellt er urls immer wieder zu
eigener Entscheidung vor das Für und Wider jedes einzelnen Falles
und zeigt uns, wie unangebracht jede vorschnelle Festlegung in einer
der beiden Hauptrichtungen sei. Und gerade weil er niemals effektive
Widersprüche hervorruft, folgt man ihm gerne, auch wo man sich bereits
selbst eine eigene Meinung gebildet hat.
Aus dem Wust kurzlebiger Theorien kristallisiert sich die Meinung de3
Verfassers etwa in dem Sinne heraus, daß er aus jeglicher Theorie das
Körnchen goldene Wahrheit, das in jedem der tastenden Versuche zur
Veranschauhehung so seitsamer Dinge steckt, herausholt und aus diesem
Material ein feines kluges Gespinst von sehr wohl annehmbaren Möglichkeiten
herstellt. Die körperliche Erscheinung ergänzt sich danach
allenthalben durch feinstofflichere Substanzen, in denen Denken und
Fühlen, kurz das Seelische intimer verankert sind als mit dem groben
Stoffe, der in diese feinen Gebilde hinüberschmilzt wie aus einem Aggregatzustand
in den anderen. Und diese feineren Stofflichkeiten strahlender
Materie sind als die Träger des Geistigen zugleich auch der Sitz
schöpferischer Lebendigkeit für alle grobe Gestahung, die
unseren Sinnen naturgemäß zugänglicher ist, als die keineswegs weniger
tatsächliche Welt, die dem Sinnlichen aber nur in flüchtigem Phantombildungen
wie in Bruchstücken offenbar wird. Wie sich das alles in
feiner geistvoller Weise aufbaut, das muß man selber nachlesen.
Nur einen großen Fehler hat das Buch, das doch gewiß mit seiner
ganzen fleißigen Arbeit zum Studium und zum eignen Forschen anregen
will: es hat so gut wie gar keine genaue Literaturangaben. Alle Hinweise
sind nur halb und verlangen ein ermüdendes Wälzen in Katalogen
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