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Vom Büchertisch..
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die den meisten Menschen nur sehr schwer zugänglich sind, und es wäre
doch eine kleine Mühe gewesen, jeweils in Fußnoten den Namen des
Forschers durch genaue Literaturangabe, Verlag und Seitenzahl der
angeführten Stelle zu ergänzen; der Verfasser hatte sie doch alle aa
der Hand. Warum soll jeder nun aufs neue in der unheimlich angewachsenen
Literatur suchen müssen, zu deren näheren Studien uns das
Buch doch fast auf jeder Seite drängen will. Diesen Mangel sollte der
Verfasser bei der nächsten Auflage unbedingt abstellen. Denn „Okkultismus
" in bezug auf Literatur angaben dürfen gerade die am wenigsten
fröhnen, die mit daran bauen wollen, daß echtes Wissen und nicht
Humbug und Scharlatanerie überwuchern.
Das Buch wäre besonders geeignet, dem gebildeten Laien die Kenntnisse
zu vermitteln, die wir angesichts des Heraufbrausens einer neuem
Zeit alle sehr nötig haben, um den Sinn des Geschehens nicht aus den
Augen zu verlieren.
Dr. Marcinowski, Bad Heilbrunn (Oberbayern).
Charles Baudouin, Suggestion und Autosuggestion. Psychologisch-pädagogische
Untersuchung auf Grund der Erfolge der neuen Schule
von Nancy. Autons. Uebersetzung aus dem Französischen von
Paul Amann. Dresden, Sibyllenverlag 1922. 324 S.
Aus Nancy hat einst die Erforschung und therapeutische Verwendung
des Hypnotismus in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts
ihren Anfang genommen. Der Hypnotismus ist Fremdsuggestion
. Es gibt aber auch eine Autosuggestion. Früher hat man sie
nur nach ihren negativen, ungünstigen Wirkungen beachtet (Errötungs-
angst, Stottern, Platzangst usw.) Sie kann aber auch Heilwirkungen
erzeugen. Die Mind-Cure-Bewegung, das Gesundbeten und andere
amerikanische Heilmethoden gründen sich auf sie. In ganz systematischer
, planmäßiger, wissenschaftlicher Weise hat Emile Coue die
Autosuggestion zur Grundlage der Psychotherapie gemacht und ist
dadurch zum Begründer der sog. Neuen Nancyer Schule geworden.
Kr hat eine große praktische Wirkung geübt, aber wenig geschrieben.
Das vorliegende Buch des Schweizers Baudouin gibt eine ausgezeichnete
Zusammenfassung der sehr schwer zugänglichen bzw. größtenteils
uns heute unzugänglichen Arbeite» Goues und seiner Schule. Das
Buch ist von höchstem Interesse und wirft neue Schlaglichter auf die
Einwirkung des Psychischen auf das Physiologische. Behauptet doch
Coue sogar schwere organische Leiden, auch Tuberkulose, durch zweckmäßig
geleitete Autosuggestion zur Heilung bringen zu können.
Oesterreich -Tübingen.
Harald HcMtdingr, Erlebnis und Deutung. Eine vergleichende Studie
zur Religionspsychologie. Uebersetzt von Erwin Magnus, Stuttgart
, Fr. Frommanns Verlag (H. Kurtz), 117 S.
Das Buch stellt sich zur Aufgabe, durch die ganze Geschichte der
Mystik von ihren primitiven Vorstufen durch den israelitischen Prophetismus
, das Urchristentum, den Neuplatonismus und das Mittelalter
bis zur Neuzeit und Gegenwart das Verhältnis des wirklichen Erlebnisse»
der Mystiker zu seiner Deutung zu verfolgen. Die Bestrahlung der
primitiven Religion, des Altertums und des Mittelalters sind indes
mehr oder weniger nur Einleitung zu der Analyse zweier Fälle der
Neuzeit, in denen das Material so reich ist, daß eine ins einzelne gehende
Anal}se möglich ist. Es sind die heilige Therese (16. Jahrhundert)
und ein der jüngsten Vergangenheit angehöriger Fall, den der verstorbene
Flournoy unter dem Pseudonym Cecile V. aus der West- 0
Schweiz in den Archives de Psychologie Bd. 15, 1915 (auch als
Nr. 57/58 separat käuflich, Genf, Verlag Kündy), beschrieben hat
Das wesentliche Ereignis ist, daß erst in der Gegenwart die Durch-
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