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250 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 4. Heft. (April 1924.)
Wucherung des Erlebnisses mit theologischer Deutung zurücktritt und
das Erlebnis als solches in seiner Reinheit erkennbar wird. Höffding^
selbst sieht das mystische Zentralerlebnis offenbar als ein reines
Werterlebnis an und diskutiert nicht ernsthaft die Frage, ob es sich
in ihm um eine wirkliche Berührung des Mystikers mit dem Weltgrund
handelt. Er bleibt vielmehr bei der reinen Gefühlstheorie stehen.
Insofern ist die Problemstellung der sonst feinsinnigen Schrift nicht
auf der Höhe der Problemlage, wenigstens nicht derjenigen, die sich
in Deutschland in den letzten Jahren entwickelt hat. Oesterreich.
Hstini»r, Dr. med. Bernhard. Gravitation oder Lebenskraft?
Groß 8°, 8 Seiten. Cernaute (Rumänien), 1922. Buchdruckerei
Wiegler. Ohne Preisangabe.
Einleitend betont der Verfasser, daß dem Gravitationsgesetz alle
Körper unterliegen, daß Einsteins Untersuchungen einiges Licht, vorläufig
aber wenig gebracht haben. Er will jedoch hiervon zunächst
absehen und die Aufmerksamkeit auf gröbere, in die Sinne fallende
Beobachtungen lenken. Wie das Meer in Ebbe und Flut, so nehmen
die Pflanzenorgane im Raum eine bestimmte Richtung ein. Hauptachse
und Hauptwurzel sind auf der ganzen Erdkugel nach Radien
orientiert. Außer der Schwerkraft kennen wir keine überalt in dieser
Richtung wirkende Kraft (Geoteopismus). Ebenso wird das Dicken-
und Längenwachstum der Pflanze wie ihre Symmetrie durch die Schwerkraft
beeinflußt. Auch die periodische Blutung ist nicht ein nur
lokaler Vorgang, sondern eine Teilerscheinung wichtiger funktioneller
Vorgänge im Leben des Weibes. Die Wellenbewegungen der Funktionen
sind bisher nachgewiesen als sich auf Puls, Blutdruck, Muskelkraft
, Wärmestrahlung, Lungenkapazität, Reaktionszeit der Kniephänomene
erstreckend. Bei Zahnkranken hat Verfasser beobachtet, daß
Periostitis und Abszedierungi am Kiefer in relativ größter Häufigkeit
zur Zeit des Voll- und Neumondes vorkommen, d. h. zu Zeiten der
größten Gravitation auf der Erde, wie die Springfluten. Wichtiger
noch ist des Verfassers vielfältige Beobachtung, daß bei Kranken eine
Erhöhung der Temperatur zur Zeit stärkster X>ravitation< eintritt. Wie
erklärt sich das?
Nun, antwortet der Verfasser, sollte denn nur Massenanziehung die
Wirkung der Gravitation sein? Keineswegs. Schon Plank hat am
Atom die Gravitation gezeigt. Sollte daher der Organismus, der aus
Atomen zusammengesetzt ist, nicht auch der Gravitation erliegen?
Nach Einstein ist Energievermehrung gleichbedeutend mit Massenvermehrung
. Einwirkung der Gravitation hat Energie Vermehrung zur
Folge. Gravitationswirkung auf den Organismus hat Energie- bzw.
Massenvermehrung zur Folge, die Massenvermehrung hat irgendwie
Wärmeentwicklung zur Folge. So schließt sich die Kette.
Vielleicht, sagt der Verfasser, ist die Gravitation öfters die Quelle
der Energievermehrung, vielleicht ein Heilmittel. Vielleicht fällt ihr
nicht nur die Aufgabe zu, Körper anzuziehen, den Apfel zur Erde
fallen zu lassen; vielleicht ist sie jene Kraft, die mit dem Leben in
Beziehung steht, vielleicht auch die Urkraft des Lebens selbst.
Freudenberg.
Briefkasten.
Herrn Oberstlt. K., Prag: Kc. 30.— dankend erhalten. 0. M.
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