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252 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 4. Heft (April 1924.)
Zwecke und Willen ausführt. Sind das okkulte Wirkungen, so stehen
wir hier nichl bloß auf der Grenzscheide zweier Wellen, sondern die
Geisleswelt ragt dominierend in die INaturwelt hinein. Und dieses
nicht durch magischen Zauber, sondern durch glaubensvoll gesteigerte
Energie des Geistes. Natur und Geist sind nicht zwei dualistisch und
kontradiktorisch geschiedene Gebiete: sie wirken aufeinander, wie sie
ineinander übergreifen, Natur in Geist, aber auch Geist in Natur.
„Geist" ist nicht bloß der Sinn der Natur, sondern auch die Kraft,
die sich die Natur unterwirft. Das wird auch durch die andere bedeutsame
Elia-Geschichte offenbar, bei der es sich um die Erweckung
des toten (todkranken) Sohnes der Witwe von Zorpath handelt. Elia
nimmt den Sohn vom Schloß der Mutter, trägt ihn auf den Söller,
legt ihn auf sein Bett, ruft Gott inbrünstig an, daß er ihn nicht töte
und dadurch seinen Propheten bloßstelle, wirft sich dreimal auf das
Kind, fleht von neuem zum Iterrn, daß er des Kindes Seele zurückkehren
lasse und — über dem Rufen des Gottes'meehtes, kehrt der
Atem des Knaben zurück, so daß er lebendig wird. Ein ähnliches „Wunder
" wird uns vom Prophetenschüler Eb*sa (2. Kön. 4, 18 ff.) berichtet.
Zieht man das sagenhaft Uebcrtreibende von beiden Erzählungen ab,
so bleibt noch genug des „Okkulten" über. Eö ist gegeben in dem
Moment der Kraftwirkung des „prophetisch'1 eingestellten Geistes über
die zerstörende Naturgewalt des Todes. Dieser Geist vermag auch entfliehendes
Leben an seinen Ort zurückzubringen — auf Gottes Geheiß,
dessen Wille in gläubigen Seelen wirksam wird. Hält man an dieser
höchsten Dominante fest, so kann man getrost auch die Manipulationen
und Mediatismen mit in Kauf nehmen, die für den Blick des Unerfahrenen
verwunderlich erscheinen mögen, z. B. daß Elia den dem
Tode verfallenen Knaben auf sein Prophetenbett legt und sich über
ihn dreimal ausstreckt (Luther übersetzt „mißt"). Es 'ist möglich,
daß hier Schweißabsonderungen und magnetische Fluida, aus dem
Pi ophetenkörper ausströmend, eine vermittelnde Rolle spielen. Wird
doch ähnlich dem alternden David, der nicht mehr „warm" werden
konnte, Abisag von Summ in die greisen Arme gelegt, daß sie ihm
diene (1. Kön. 1,1 ff.), ohne daß der König sie „erkannte".
Auf einer anderen Linie bewegt sich, was von der wunderbaren,
Speisung Eliä durch die Piaben am Dache Krilh (r. Sam. 17) erzählt
wird. Iiier liegen, wenn man von gewissen legendären Zusätzen einerseits
und \om Standpunkt des reinen Glauben« absieht, gewisse Analogien
zu Apport-Phänomcncn vor, die wir aus heuligen okkulten Erfahrungen
als Parallelen heranziehen können. Aehnlieh verhält es sich
milden 1. Kön. 17,7—iG und 1. Kön. 19,6 geschilderten Szenen.
Legendär zu erachten ist das Mantelwunder Eliä (2. Kön. 2,8), wodurch
des Jordans Fluten geteilt wurden. Auch von ägyptischen Zauberern
(vgl. auch den Zaubermantel Odins, der durch fremde Länder
trägt) wiid berichtet, daß sie durch Zauberformeln einen See trocken,
legen, um ein hineingefallenes Schmuckstück herauszuholen (vgl. Greß-
mann, Texte und Bilder I, 218). Ebenso sagenhaft und dem Volksaber-
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