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Reinhold: „Entlarvungen0 und kein Ende
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was geistig und übergeistig, was dämonisch und elementar, was leib-
gebunden und leibbefreit, was sinnlich und sinnvoll, was sterblich und
unsterblich ist? Kein noch so festgefügtes Urteil der UeberlieEerung,
kein noch so fromm gewöhnter Glaube darf hier Erscheinungen und
Erkenntnisse durcheinanderwirren, die an sich miteinander nichts zu
tun haben. Es könnte sich herausstellen, daß manches, woran ein
naiver Glaube ahnungslos sich klammerte, in das Gebiet des Aberglaubens
oder der nachprüfenden Wissenschaft gehört. Der Glaube
selbst in seinei unantastbaren Erhabenheit und keuschen Einfalt könnte
dabei nur gewinnen. D. Lic. F. Koehler.
„Entlarvungen*4 und kein Ende.
Ein Brief vom Wiener okkultistischen Kriegsschauplatze.
Von Erwin Reinhold (Mitglied der D.G.W.O.).
Wir bringen den interessanten Bericht unseres Wiener Mitgliedes,
trotzdem er in einigen Punkten schon Gesagtes wiederholt (März-Heft,
Psych. Stud. S. 170—175) unverkürzt zum Abdruck. Eine weitere Verfolgung
der Angelegenheit durch Einho'ung von Gegenäußerungen
beider Parteien ist eingeleitet, um eine endgültige Stellungnahme
zu ermöglichen. Wenngleich das Vorgehen der Entlarver alles andere
als Billigung verdient, sind doch auf der Gegenseite so schwere Fehler
gemacht worden, daß Zurückhaltung geboten erscheint.
Die Schrif lleitung der Mitt. d. D. G. W. O.
Auf der ganzen Welt scheinen die Gegner des wissenschaftlichen
Okkultismus dia Zeit zu einer Generaloffensive für
gekommen zu erachten. Auch auf Wien hat in den letzten Wochen
dieser Kampf übergegriffen, des eigentlich gar keiner ist, weil er nur
einen Versuch darstellt, mit den abscheulichen Waffen der Lüge, Entstellung
und Verleumdung die Medien, ihre Forscher und Verteidiger,
abzuschlachten, wobei letzteren nicht einmal Gelegenheit zur Verteidigung
gegeben wird.
Es sei hier kurz die Vorgeschichte dieser unerhörten Ereignisse
geschildert. Mit der gerade d^m Wiener Journalismus eigenen
Kritiklosigkeit, sobald es gilt eine Sensation zu erhaschen, wurden
von den meisten Wiener Blättern, beim Auftauchen der Brüder Schneider
in Wien im Vorjahre anfänglich spaltenlange, effektvoll aufgemachte
Artikel gebracht über die wunderbaren Vorgänge in den durch
Dr. Holub mit Willy S. und Czernin-Dirkenau mit Rudi S. veranstalteten
Experimentalsitzungen, bei denen leider von vornherein ein
größeres Laienpublikum, darunter auch zahlreiche Journalisten, Zutritt
hatte. Diese Maßnahme sollte die verhängnisvollsten Folgen
zeitigen.
Dieselbe Kritiklosigkeit und Unorientiertheit der Tagesschriftsteller
war auch der Grund zu einem plötzlichen und radikalen Umschlagen
der Stimmung dieser Leute, und damit der öffentlichen Meinung
Wiens, gegenüber den okkul'en Phänomenen beim Auftauchen der
ersten Nachtichten über die famose „Entlarvung" Jan Gtniks in Paris.
Letztere stellt eine ähnliche Komödie dar wie der „Betrug" Rudi
Schneiders, von dem weiter unten die Rede sein wird. Neue Nahrung
erhielt diese Gegenströmung durch den Hereinfall der „Budapester
Metapsvchischen Gesellschaft" (in den Zeitungen „Spiritisten-Verein"
und „MaterialisaMonsgesellschaft" genannt), auf den Schwindler Laszlo.
Begünstigt wurde die Aversion immer größerer Kreise durch die anfänglich
schwankende und widerspruchsvolle Hal ung Schrenck-Notzings
bei seinen diesbezüglichen Veröffentlichungen in hiesigen Zeitungen.
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