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262 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 4. Heft. (April 1924.)
Schon begann in einem nach amerikanischem Muster neu gegründeten
Sensationsblatt „Die Stunde" ein Dr. Fritz Wittels, Arzt und
Psycho-Analytiker, heftige Angriffe auf die bei der Untersuchung para-
psychisdter Phänomene beteiligten Personen zu führen. Er ernielt bald
Gesellschaft durch Dr. Friedrich Adler, den bekannten Politiker
und Schüler Ernst Machs, der in der Arbeiterzeitung vom 9. und
13. Januar nicht nur gegen die hiesigen Medien und Forscher, sondern
auch gegen den „freiherrlichen Wundermann" (Schr.-N.) polemisierte*
Mit seinen geschmackvollen Bezeichnungen wie: „Dunkelmänner, Mitschuldige
an der Verdummungspropaganda, Betrüger oder Opfer von
Betrügern, Zuhälter für die Lasterhöhlen des Geistes", welche Injurien
er den Parapsychologen beilegte, wurde er tonangebend für die
kommende Schlacht. Der einzige sachlich berechtigte Einwand, den
er gegen die „Aufhebung der Schwerkraft" bei Levitationen erhob,
wird dadurch hinfällig, daß kein Fachmann je Derartiges be-
hauptet hat, der Ausdruck sich vielmehr in einem Artikel der Reichs«
post aus dem Vorjahre findet, wo er als marktschreierischer, fetter
Titel für einen ausführlichen, die Phänomene würdigenden positiven
Artikel diente, dessen Verfasser, obwohl er schon vor Jahren in Braunau
echte Phänomene bei den Schneiders sah, sich heute nicht genug tun
kann in Beschimpfungen derselben Familie.
Inzwischen hatte sich unter Führung des bekannten Psychiaters
Professor Wagner-Jauregg auf Anregungen studentischer Kreise hier
ein „Sachverständigen-Ausschuß" von sieben Unhersitäts-
Professoren gebildet, welcher die Medien Rudi und Willy Schneider
zu einer Untersuchung in den Räumen der hiesigen Universität oder
der Wohnung des Komiteeleiters aufforderte. Bevor diese von allen
Seiten begrüßte Aktion, die u. a. durch Dr. Holubs Krankheit verzögert
wurde, in Angriff genommen worden war, brachte am 14. Februar
die „Wiener Mittags-Zeitung" die kurze Nachricht: „Es ist
den Universitätsprofessoren Stefan Meyer und P r i b r a m gelungen
, das Medium Rudi Schneider zu entlarven."
Was war geschehen? — Die „Neue Freie Presse" (bisher eine der
eifrigsten Verteidigerinnen unserer Bestrebungen) veröffentlichte am»
15. Februar ein Interview mit den beiden, übrigens nicht dem
Komitee angehöi enden Professoren, worin diese behaupteten,
bei den Sitzungen mit Rudi Schneider, denen sie a 1 s Gäste unter
vielen anderen Anwesenden in den Räumen des Czerninschen „Metapsychologischen
Instituts" beiwohnten, folgendes beobachtet zu Siaben:
„Eine Reihe von ihrer Seite vorgeschlagener Kontrollmaßnahmen
, z. B. Festschnüren der Beine des Mediums durch eine dritte
Person, wurde abgelehnt, jedoch ein nicht genierendes Leuchtband
um die Schultern der Versuchsperson akzeptiert. Der Trancezustand
Rudis war nicht echt, sondern erschien simuliert; komplizierte
Apparate oder Behelfe (wie sich Dr. Adler es vorstellte), standen
ihm nicht zur Verfügung. Das Freischweben des Körpers
erzielte er dadurch, daß er mit einem Fuße aus der (selbstangelegten)
Bindung schlüpfte und die Leuchtmarken am anderen Fuße befestigte,
so daß er nun mit dem fessellosen Beine ohne weiteres einen Stuhl
besteigen konnte, wobei er den mit Leuchtmarken versehenen Fuß-
in die Höhe hob. Die übrigen telekinetischen Erscheinungen konnte
er mit dem einen sich bewegenden Arme ganz wohl bewerkstelligen."
— Die beiden Professoren beschlossen dann, die „Tricks" des Mediums
zu imitieren (siehe Sorbonne bei Jan Ouzik), und veranstalteten eine
eigene Sitzung in der Wohnung Professor Meyers, wobei Prof.
Pribram die Rolle des Mediums spielte. Er war angeblich
imstande, sämtliche Erscheinungen des Mediums Rudi Schneider
den Anwesenden, erst im Dunkeln, dann bei Licht, vorzuführen. Es
soll dies bei denselben Versuchsbedingungen, unter denen Rudi ar-
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