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284 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 5. "Heft (Mai 1924.)
mitsamt dem Tische, von einer unsichtbaren Kraft mehrere
Meter weit über das Parkett zurückgerissen worden sein.
Alles das sieht auf den ersten Blick aus, als müßten wir
daraus das Walten imbekannter, intelligenter Kräfte erkennen
. Die Spiritisten haben sich ja auch ohne weiteres auf
idiesen Standpunkt gestellt, und namhafte Forscher wie
Crookes, Zöllner , Lombroso und neuerdings, wenn
ich recht unterrichtet bin, auch Flammarion, haben sich
ihnen angeschlossen. Auch der den Lesern dieser Zeitschrift
bekannte Nervenarzt Lomer aus Hannover, tritt jetzt offen
als Spiritist auf. Trotz alledem will mir diese Lösung immer
noch als eine vorzeitige erscheinen. Denn in den gut beobachteten
Fällen scheinen die Kräfte doch immer an einen
Menschen gebunden. So kommt auch das Wegziehen von
Stühlen, mit darauf sitzenden Personen unter den Phänomenen
der Eusapia Palladino vor, wo es von Lombroso
beschrieben wird. (Hypnotische und spiritistische
Forschungen, Hoffmann, Stuttgart, S. 81.) In dem
Schrenck-Notzingschen Falle, wo die Köchin verletzt
wird, scheint diese selbst mediale Hilfskraft gewesen zu sein.
Wenn aber diese Gebundenheit an einen Menschen zutrifft,
so kann es sich nur um die Verlegung eines Kraftzentrums
iiach außen handeln*), was die Franzosen nach dem Vorgange
von de Rochas als „Exteriorisation" bezeichnen.
Dieses nach außen verlegte Kraftzentrum müßte dann der
geistigen Leitung des Unterbewußtseins unterstellt gedacht
werden. Nun ßehe ich schon bei vielen Zweifelnden die
Frage auftauchen, was denn alles das merkwürdige „Unterbewußt
sein", das manche Autoren nur noch in Anführungszeichen
zu bringen wagen, alles ausrichten soll. Die Merk-
•würdigkeit verschwindet, wenn man sich meiner Auffassung
vom Bewußtwerden unserer Gedanken und Eindrücke anschließt
. Danach erkenne ich ein Ober- und Unterbewußtem
als getrennte Schichten überhaupt nicht an, sondern
nur einen einzigen auf Grund unserer Erfahrungen und möglicherweise
auch auf Grund ererbter Eindrücke entstandenen
Bewußtseinsinhalt. Aus diesem, den man Unterbewußtsein
hennen kann, vermittelt uns ein •besonderes inneres
Sinnesorgan, das ich als das Oberbewußtsein anspreche,
einen jeweiligen Ausschnitt zur bewußten Erkenntnis. Dabei
{weiß ich natürlich, daß ich das letzte Rätsel, wie physische
Vorgänge zu geistigen werden, nicht lösen kann, halte aber
trotzdem meine Auffassung für einen Fortschritt, weil sie in
viele normale und abnorme Vorgänge Klarheit bringt, die
*) Auf diesem Standpunkt sieht auch Schrenck-Notzing. Vergleiche
„Psychische Studien, 1922, S. 196. „Der Spuk von Ylöiärvi, Finnland/'
(Als Abdruck des vergriffenen Aprilheftes vorrätig beim Verlag. 50 Pf).
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