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Kindborg: Die Spukereignisse auf Java. 2B9
kiie Teilerscheinung krankhafter geistiger Zustände bilden.
Auf Java jedoch, wo diese geistigen Veränderungen bei sonst
Gesunden mit einem Male einsetzen und ebenso wieder verschwinden
, darf man sie wohl, wie dies schon in einem alten
Sphinxbande geschieht (1886 I. 285) als Hypnosen, und zwar
(als Schreckhypnosen auffassen. Und da die Krankheit in
dieser Form für die Bevölkerung Javas charakteristisch ist,
idie Europäer von ihr verschont bleiben, ist der Schluß auf
feine besondere Beschaffenheit des Nervensystems bei den
Javanern nicht ungerechtfertigt. Hier, nicht in der Fingerfertigkeit
der Javaner, dürfte der Schlüssel zu den geschilderten
wunderbaren Ereignissen zu suchen sein.
Weiter in die Geheimnisse einzudringen, ist zurzeit nicht
möglich, weil die Vorbedingungen fehlen. Die Schulwissenschaft
ist auf die Geisteswissenschaften noch nicht richtig
eingestellt. Für sie, die größtenteils noch im Banne der erst
langsam weichenden materialistischen Weltanschauung steht,
ist der Körper vielfach noch eine Zellmaschine, und das
Geistige behandelt sie, wenn sie ihm nicht anatomisch oder
chemisch beikommen kann, als völlig abstrakt. Demgegenüber
glaube ich, daß man dem Verständnis der übernormalen
Erscheinungen näher kommen wird, wenn man mir auf den
schon seit einigen Jahren vertretenen Standpunkt folgt, daß
alles geistige Geschehen auf physikalischen Grundlagen beruht
und schon normalerweise mit Kraftäußerungen verbunden
ist. In der Schaffung einer geistigen Physik wird erst
(die Erkenntnis (der vor der Hand unbegreiflichen Dinge
ihren Anfang nehmen.
Aus der geistigen Physik ergibt sich dann eine geistige
Pathologie. Bei dieser muß vor allem die wissenschaftliche
Einstellung gegenüber dem KrankheiKoilde, der sogenannten
Hysterie eine andere werden. Die Hysterie ist, wie ich in
meinen Schriften auseinandergesetzt habe, weder ein6 wissenschaftliche
Umschreibung für Launenhaftigkeit und Unausstehlichkeit
(was man im Alltagsleben vielfach zu glauben
scheint) noch ist sie, wie die Wissenschaft bisher angenommen
hat, eine Erkrankung des Vorstellungslebens; sondern
sie ist nach meiner Auffassung eine physikalische Störung
im Großhirn. Wenn man sich dieser Auffassung anschließt,
twird man sich nicht mehr darüber wundern, gerade bei
Hysterischen abnorme geistige Kraftäußerungen zu finden.
Man wird dann auch vielleicht die heilige Scheu vor den
Hysterischen lablegen und sie nicht länger für krankhaft
lügenhaft halten. Lügner mit allen Uebergängen ins Krankhafte
gibt es in jeder Menschenschicht — und Menschenklasse»
Dagegen gibt es Hysterische, wenigstens solche mit hysterischen
Einzelerscheinungen, die durchaus wahrheitsliebend
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