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Lippert: Bericht über einen merkwürdigen Stallspuk.
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vor1). Bei dem älteren Pferde sei es jetzt mit dem Flechten nicht «
mehr so schlimm, infolge der nur mehr sehr dünnen Mähne. Das
mindere aber nicht die sonstigen Beunruhigungen.
Auch die Bäuerin, die auf dem Hofe schon zehn Jahre bedienstete
Magd und die ältesten der 6 klugen und verständigen Kinder bestätigten
mir nachher, teilweise getrennt von einander ausgefragt, in
widerspruchsloser Weise, das von ihnen allen häufig beobachtete
Phänomen der Flechtungen, wobei wiederum die „Schlußknoten" ausdrücklich
erwähnt wurden.
Die Dunkelsitzung im Pferdestall, die in der Zeit von elf bis ein
Uhr nachts in Gegenwart des Ehepaars und des Bruders stattfand, verlief
ruhig und ohne Zwischenfall. Das in Trane» befindliche Medium
erging sich (objektiv sprechend) in der Annahme, daß ein früherer
Knecht, der bei seinen Lebzeiten Tiere gequält hätte, nunmehr nach
seinem Tode noch stallgebannt sei und den Spuk verursache. Die
eigentliche „Spukbannung" wurde von dem Medium in der Küche
abgehalten, woselbst im alleinigen Beisein der Bäuerin ein Hühnerei
im Reisigfeuer zum Platzen und Verbrennen gebracht wurde. Eine
jener suggestiven Zeremonien also, deren jeweilige Anwendung dem
Instinkt und der Beurteilung des Mediums überlassen werden muß und
deren Wirkung wir durch unvorsichtige wissenschaftliche Kritik keinesfalls
beeinträchtigen dürfen.
Besonders Bemerkenswertes konnte auf dem wohlgepflegten alten
und reichen Bauernhofe nicht festgestellt werden. Seine Bewohner
sind intelligente und aufgeklärte Leute, die nur durch die fast dreijährigen
, mit Umsicht und Sorgfalt beobachteten Phänomene überhaupt
zu der Annahme supranormaler Geschehnisse hatten gebracht
werden können.
Als Resultat unseres Besuches auf dem Hofe kann nun auf Grund
der mündlichen Mitteilungen des Bauern (er war zuletzt am 2. Januar
1924 bei mir) folgendes festgestellt werden: Gleich nachher (Ende Oktober
) trat insofern bei den Pferden eine Aenderung in der Nahrungsaufnahme
ein, als sie nicht mehr so erstaunlich viel fraßen und doch
voll und satt wurden. Auch machte sich größere Ruhe bei ihnen bemerkbar
und besonders das jüngere begann, sich in der Nacht wieder
regelmäßig zu legen. Das Zöpfchenflechten, das bekanntlich schon
nach dem ersten Besuch des Mediums fast ganz aufgehört hatte, blieb
auch weiterhin aus. Das Allgemeinbefinden der Pferde hob sich wesentlich
. Am 23. Dezember jedoch trat ein schwerer Rückfall ein: Am hellen
Tage wurde wiederum der Hals des jüngeren Pferdes mit Mähnenzöpf-
chen bedeckt, während die Familie im Zimmer weilte und niemand
im Stalle anwesend war. Der Bauer verbürgt sich hierfür nochmals
*) Das Abschneiden (Stutzen) der Mähne, zu deren Anraten man hier
wohl kaum kommen könnte, soll nach dem Volksglauben gefährlich sein,
Man nähme dadurch dem Geiste sein Spielzeug und bringe ihn dazu, seine
Bosheit in noch ganz anderer Weise an den Tieren auszulassen, die dann
auch meistens eingingen.
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