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310 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 5. Heft. (Mai 1924.)
Untersuchungsrichter, Landgerichtsrat Dr. Meyer, sich die Weiterverfolgung
des beschrittenen Weges sehr angelegen sein lassen wird, wie
auch, daß berufene Forscher sich um die Bestätigung der Angelegenheit
resp. um ihre wissenschaftliche Nachprüfung bemühen werden.
Schon jetzt ist aber zu sagen, daß unberufene und unsachverständige
Leute sich bemüßigt fühlen, die Wichtigkeit des Falles durch
öffentliche Diskreditierung des genannten Versuchsleiters, Herrn Rektor
Seeling, abzuschwächen, und das Publikum schon jetzt darauf vorzubereiten
, daß alle derartigen Fälle von Kriminaltelepathie der ernsten
Forschung gegenüber nicht standgehalten hätten, und auch der obige
Fall sicherlich nicht als positiv zu bewerten sei.
Eine arge Blamage hat sich dabei ein so ausgezeichnetes Blatt
wie der „Tag" geholt, dessen Redaktion in der Bestürzung über das
neuartige Geschehnis sich ausgerechnet an Herrn Moll wandte, um
seine Ansicht zu hören. Nun ist dieser Herr, der seine stärksten Bedenken
über die Richtigkeit des Mitgeteilten äußerte, und Herrn Seeling
alle wissenschaftlichen Grundlagen für die praktische Ausübung hypnotischer
Experimente absprach, doch keineswegs als „Sachverständiger"
zu betrachten, da er bekanntlich den Mund sehr voll nimmt in Dingen,
von denen er — gut gerechnet — so viel versteht, wie der durchschnittlich
gebildete aufmerksapite Zeitungsleser der großstädtischen Presse,
und es ist bedauerlich, daß eine Berliner Zeitung darauf verfällt, gerade
sein Urteil als kompetent zu erachten.
Herr Moll hat zudem in letzter Zeit, da sein Stern sich neigt, geistesverwandte
Unterstützung gefunden bei einem Landgerichtsdirektor Hellwig
aus Potsdam, der — ein homo novus — in der Berliner Börsen-
Zeitung Nr. 55, vom 12. April, einen langen Aufsatz veröffentlicht:
„«Moderne Erinnyen'4 Auch er legt alles darauf an, Herrn Seeling als
„Psychologen" herabzusetzen, und beruft sich seinerseits auf Namen,
die meist in der großen Oeffentlichkeit mindestens bisher so unbekannt
waren, wie Herr Seeling. Hellwig meint, daß er keine Gewähr habe,
daß die Versuche in einwandfreier Weise vorgenommen worden seien,
die ihm wohl nur dann gegeben scheint, wenn er selbst dabei gewesen
wäre. Er beruft sich auf Moll, der doch „große Sachkunde" besitze,
und Herrn Seeling ebenfalls nicht gelten lasse.
Er kennt den Genannten, wie er sagt, nicht persönlich, hat nur
„liebenswürdige" Briefe mit ihm gewechselt, und fällt ziemlich deutlich
über ihn her.
Es ist hier nicht der Ort, für Herrn Seeling sich zu erhitzen, mir
scheint, er ist ein Mann, der seine Klinge schon selbst führen wird,
und am besten ruhig den Lauf der Dinge abwartet. Aber die Methode,
die hier wieder beliebt wird, ist doch übel, und die Erfahrungen, die
Unterzeichneter selbst im letzten Winter mit Herrn Hellwig zu seinem
Leidwesen machen durfte, haben auf ihn abschreckend gewirkt, und
sind geeignet, vor einer Zusammenarbeit mit jenem zu warnen. Es gibt
nicht nur eine Firma: Moll und Mamlock, sondern auch Moll und Hellwig.
Dr. Sünner.
Vom Büchertisch.
Sir Olirer Lodge. Das Fortleben des Menschen. Eine wissenschaftliche
Studie über die okkulten Fähigkeiten des Menschen. Autorisierte
Uebersetzung aus dem Englischen. Bad Schmiedeberg und
Leipzig, Verlag von F. E. Baumann o. J. 280 S.
Die wirtschaftliche Lage Deutschlands macht uns noch immer den
Erwerb der ausländischen Literatur unmöglich. Aus diesem Grunde ist
jede Uebersetzung doppelt zu begrüßen, dient sie jetzt doch nicht nur
der Verbreitung, sondern auch der Förderung der Wissenschaft, wenn
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