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316 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 5. Heft. (Mai 1924.)
Da die paraphysischen Erscheinungen, abgesehen von der Gruppe
der lokalisiert auftretenden Spukerscheinungen, bei denen die Frage
noch offen steht, sämtlich von der Gegenwart lebender Menschen und
vorwiegend von den ausgeprägt als solche erkannten Medien abhängig
Bind, so ist es ganz natürlich, daß für den, Forscher die Verfügbarkeit
über ein Medium Grundbedingung ist für die Möglichkeit, überhaupt
experimentieren zu können. Es hat sich im Laufe der Zeit immer
deutlicher gezeigt, von welch ungeheurer Bedeutung die Medienfrage
für eine gesunde und wünschenswert stetige Fortentwicklung der
paraphysischen Experimentalforschung ist. Nun sind erwiesenermaßen
kräftige und zum Experimentieren brauchbare Medien sehr selten, und
es ist eine recht geringe Anzahl von Natmen, die y?ur Zeit ,hier in
Frage kommen. Und wie wird dies für die Wissenschaft so kostbare Gut
gehütet und wie wird mit ihm umgegangen? Damit sind wir bei der
Kernfrage, die ich behandeln möchte.
Was hat man, um nur von den Vorgängen der letzten Jahre zu
sprechen, mit Eva Carriere, Einer Nielsen, Jean Guzik, Rudi Schneider
gemacht, mit Medien, die von namhaften Vertretern der Parapsycho-
logie als unbedingt echte Medien erkannt worden waren? Alle vier
hat man sie, nachdem sie unter der Obhut der wirklich Sachverständigen
Glänzendes geleistet hatten, der anmaßenden Unerfahren-
heit offiziell approbierter Gelehrter überlassen, die jedesmal die ganz
besondere Mission übernahmen, nun „endlich" endgültig in hochnotpeinlicher
Untersuchung festzustellen, ob die „Phänomene" dieser
Medien wirklich supranormalen Ursprunges wären. Bei Eva Carriere
hat das Urteil noch am mildesten gelautet, einmal wohl, weil es sich
um eine Frau handelte und andererseits jedenfalls darum, weil man
in der Reihe der fast vorwiegend negativen Sitzungen keine eigentlichen
Anhaltspunkte für offenbare Betrugsversuche gefunden hatte.
Bei den drei übrigen männlichen «Medien war »dagegen das Urteil
schärfer präzisiert und lautete: „Des Betruges überwiesen", wobei gern
gesagt werden soll, daß in dem Pariser Urteil über Guzik geschickter
Weise das Wort Betrug selbst vermieden worden ist, während der Fall
Einer Nielsen einen ganz besonders tragikomischen Abschluß fand.
Das hochoffizielle Komitee der Universität Kristiania war auf Grund
ganzer drei negativer Sitzungen zu dem Urteil gekommen, daß „aller
Wahrscheinlichkeit nach" Nielsens früher beobachtete „Teleplasma-
phänomene" auf betrügerische Weise erzeugt worden seien, da in den
drei jede Betrugsraöglichkeit ausschließenden Kontrollsitzungen kein
einziges Phänomenen zustande gekommen war. Darauf wurde am
Schluß der fünften im Komitee der Freunde Nielsens abgehaltenen
Sitzung die eigentümliche Fäzesspur im Kostüm und ein kleines Loch
in der Kopftüllmaske des Mediums gefunden. Auf Grund dieses Befundes
wurde eine Erklärungsmöglichkeit durch Betrug konstruiert
und schon am nächsten Tag das Urteil auf „erwiesenen Betrug" öffentlich
verkündet. Hier wurde ein für die Person des 'Mediums zunächst
einfach vernichtendes Urteil schärfster Form ausgesprochen und das
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