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Klee: Spukvorgänge in einem schwäbischen Pfarrhaus. 337
die Zimmertüre. Pfarrer N. öffnete die Türe, aber niemand war zu
sehen. Die wieder zusammengeknüpfte Schnur riß noch einige Male,
auch läutete es noch öfters in Gegenwart des wiedergekommenen Apo*-
thekers und des Dekans H. Um 91/2 Uhr trat Ruhe. ein.
Bis Freitag, den 11. Juni, fast stets Ruhe. Die Glockenschnur war
in dieser Zeit meistenteils entfernt. Um Beobachtungen zu machen,
wurde sie ab und zu angemacht. (Einige Phänomene mögen also vorgekommen
sein.)
Am Freitag, den n. Juni, begab sich Pfarrer N. um n3/4 Uhr in
das Schulhaus, um Religionsunterricht zu erteilen. Kaum war er fortgegangen
, so läutete, wie ihm nachher gesagt wurde, im Laufe einer
halben Stunde etwa 6 mal die Glocke. Kirchendiener Horner hörte dies.
Er ging in das Pfarrhaus in das) untere Zimmer, wo sich die Haushälterin
und eine Nachbarin Fräulein Liebenkees befanden. Horner vernahm
vom Zimmer aus nochmals das Läuten. Er sah sofort auf den
Vorplatz hinaus, konnte aber nichts entdecken. Die Magd war nach
dessen Aussage in der Küche, man vernahm das Klappern der Teller.
Der Sohn G. befand sich im Zimmer des 1. Stockes und fertigte dort
seine Aufgaben.
Die Glocke hing an diesem Tag ganz frei, ohne jede Schnur oder
Drahüerbindung und war nur an dem Kloben befestigt.
Von Freitag, den 11. Juni bis Montag, den i/J. Juni, abends war
Ruhe.
Am Montag, den ii. Juni, abends zwischen 7 und 8 Uhr, riß die
Schnur, die am 12. Juni wiedejr angebracht worden war. Pfarrer N.
glaubte, die Luftfeuchtigkeit habe das Zusammenziehen und Reißen der
Schnur verursacht. Denn an jenem Montag abend kam ein Gewitter
mit längerem Regen.
Von Montag, den i/j. Juni bis Freitag, den 18. Juni war Ruhe. Die-
Schnur wurde nicht mehr angeknüpft.
Am Mittwoch, den 16. Juni, nachmittags erschien ßezirksamts-
assessor v. Tücher mit dem Ortsbürgermeister. Sie untersuchten die
Oertlichkeit, verhörten alle Bewohner des Pfarrhauses und nahmen ein
Protokoll auf. Die am Tage vorher gerissene Schnur erklärte v. Tucher
für abgeschnitten. Dies schien, wie N. bemerkt, die mitgebrachte Ansicht
Tuchers zu sein. Die Schnurenden waren franzig, und nicht so,
als ob sie auseinander geschnitten wären. Besonders die Magd wurde
einem scharfen Verhöre unterzogen. Sie antwortete jedoch ruhig und
klar und beton (e, daß sie auch wie die übrigen immer herbeigelaufen
sei, wenn die Glocke geläutet habe Sie erweckte bei allen den Eindruck
großer Unbefangenheit. Hierauf ^ging es an eine Durchforschung der
Küche, Speisekammer, des Kellers, der Magdkammer und des Kleiderschrankes
der Magd nach einem scharfen Instrument. 1 Es wurde jedoch
nichts Verdächtiges gefunden und kein Täter entdeckt.
Am Freitag, den 18. Juni, einige Minuten vor 2 Uhr nachts, erwachte
Pfarrer N. und hörte die Glocke. Es war, als ob jemand dieselbe
in eine Ecke geworfen hatte; so kurz und schrill war der Ton. Sonst
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