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Klee: Spukvorgänge in einem schwäbischen Pfarrhaus. 341
tet. Es ließ sich auch nicht feststellen, daß sich irgendein tragischer
Fall früher in jenem Hause abgespielt hätte.
Nach dem Jahr 1875 wurde keinerlei Spuk mehr wahrgenommen,
auch von späteren Nachfolgern nicht. Ebenso hat der jetzige Inhaber
der Pfarrwohnung, wie ich auf Anfrage hin mitgeteilt erhielt, keinerlei
Störung erfahren.
Der ganze Spuk, der in den überall wiederkehrenden Tatsachen,
des Klopfens, Glockenziehcns, Türaufgehens, Steinefliegens und Hörens
\on Schritten oder Geräuschen bestellt, dürfte animistisch zu deuten
sein. Allerdings bezüglich eines Mediums ist man nur auf Vermutungen
angewiesen.
In erster Linie könnte die Magd in Frage kommen, da sich die
Phänomene häufig in ihrer Nähe, neben der Küche oder ihrer Kammer
abspielten. Sie war etwa 20 Jahre alt, durchaus gesund und besaß eine
etwas leidenschaftliche, im allgemeinen aber gutmütige Art.
Auch an die 35 jährige Haushälterin dürfte zu denken sein. Denn
sie war ebenfalls oft zugegen, wenn der Spuk auftrat. Sie hielt sich
naturgemäß viel in den unteren Räumen in der Nähe der Glocke auf,
sie hatte dort auch ihr Schlaf gemach. Sie befand sich im Wohnzimmer,
als die Steincheii hereinflogen. Nach Mitteilung meines Freundes war
sie von zarter Gesundheit, wenn auch nicht gerade kränklich. Sie hatte
einen Ausdruck in den Augen, als ob sie in einer andern Welt lebte, erfüllte
jedoch mit Gewissenhaftigkeit alle ihre Pflichten. Stets ernst und
religiös, bewahrte sie bei allen Vorkommnissen ihre Ruhe und nahm
alles als höhere Fügung hin. Allerdings erfolgte während ihrer Abwesenheit
das zweimalige Oeffnen der llaustüre, als sie unterwegs oder
bereits in dem 6 km entfernten Orte war. Dies wäre jedoch schließlich
kein Hinderungsgrund, da Fernwirkungen möglich sind, sie als
Agentin des Spukes zu betrachten.
Sie sowohl als auch die Magd blieben noch nach 187«) längere Zeit
im Pfarrhausc.
Die übrigen Familienglieder dürften wohl als unbewußte Urheber
auszuscheiden sein. Die sämtlich noch lebenden Kinder des Pfarrer N.
erfreuen sich der besten Gesundheit und haben nie eine mediumistische
Veranlagung gezeigt.
An den Spukphänomenen fällt folgendes auf: Sie nehmen, wie aus
der Uebersicht zu erkennen ist, rasch zu, klingen langsam ab und endigen
nach stets größer werdenden Ruhepausen mit einer letzten heftigen Erscheinung
. Der kritische Tag ist meist ein Freitag oder Samstag, vielleicht
deshalb, weil man mit einem gewissen Bangen jenen Tagen entgegensah
1).
Das Glockenläuten wurde nur selten während der Schlafenszeit
wahrgenommen. Der Grund mag der sein, daß abends die Glocke häufig
x) So schreibt Saretzki, der Hauptzeuge bei dem Spuke Shandatscheiiko:
Man bhekte mit Spannung dem Jahrestag* der ein Jahr vorher stattgefundenen
Phänomene entgegen. Sie setzten wieder ein, allerdings einige Tage früher
als im Vorjahre. Aksakoff, Vorläufer des Spiritismus, S. 200.
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