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356 Psychische Studien. LL Jahrgang, 6, Heft; (Jüni 1924.)
wohl heute überholt, immerhin von Interesse ist: ,,Wenn die hier geschilderten
Tänze mehr sind als eine bloße Ausgeburt der Phantasie
des Märchenerzählers, so muß das Gauklerwesen schon im alten Indien
auC einer verhältnismäßig hohen Stufe gestanden haben, da ihre Erklärung
nur in der Anwendung >on Spiegeln, die dem Zuschauer eine
das Seil emporklimmende oder ins Feuer gehende Person vortäuschen,
gesucht werden kann. Daß der Hohlspiegel, dieses für die moderne
Zaubertechnik so wichtige Hilfsmittel, schon im alten Indien bekannt
war, ist an sich allerdings recht wenig wahrscheinlich. Doch setzt die
Stelle im Kommentar des Sankara zum Yedänta (zitiert bei Deussen,
S)rstem des Tedänta, S. 32**), wo auf ein ganz ähnliches Gauklerkunststück
wie das erste der beiden in unserem Text beschriebenen Bezug
genommen wird, ebenfalls die Verwendung eines Spiegels voraus: ,Der
höchste Gott4, so lautet die Stelle, ist von der durch das Nichtwissen
geschaffenen, handelnden und genießenden, Yijnänatman genannten
individuellen Seele nur so verschieden, wie von dem mit Schild und
Schwert an einem Seile in die Höhe klimmenden Zauberer eben derselbe
, in Wirklichkeit auf der Erde bleibende Zauberer verschieden
ist." Wir werden hier weniger einen Hinweis auf einen Spiegeltrick,
als vielmehr auf den halluzinatorischen Charakter der geschauten
Dinge erblicken können.
Hinsichtlich der Yogapraxis im allgemeinen seien hier neben
St oll noch zwei ältere Werke genannt: N. C. Paul, G. B. M. C
A Treatise on the Yoga Philosophy. Benares i85i, worin (S. 35 ff.) u. a.
^om „menschlichen Winterschlaf" unter Hinweis auf den Fall Ilaridas
fnach JIc. Gregor) und ähnliche Fälle berichtet wird x); und als grundlegendes
Werk: Richard Garbe, Samkhya und Yoga, in G. Bühlers
„Grundriß der Indo-arischen Philologie und Altertumskunde", Bd. III,
Straßburg 1896, S. ^§6 ff. Hier spricht Garbe von den wunderbaren
Fähigkeiten der Yogin als Frucht der Yoga-Praxis. S. ^7 ff. wird der
Fall Haridas mit Kommentaren des Indologen Adalbert Kuhn eingehend
kritisch behandelt. Hier auch die scharfe Kritik Kuhns
über Jacolliot.
Theoretisch-kritisches. Es unterliegt keinem Zweifel, daß es sich
bei dem sogenannten Seilexperiment, für dessen Existenz hinreichend
sichere Augenzeugenberichte vorliegen, um eine kollektive Suggestivwirkung
handeln muß. Die Tatsache selbst wird *auch von deutschen
Psychologen wie Prof. Dr. Hans Henning, Prof. Dr. Max K a u f f -
m a n n usw. nicht bestritten. Das „Wie" bleibt dabei freilich noch
irnme^ ungeklärt. Herr Prof. Henning (Danzig-Langfuhr) hatte die
Liebenswürdigkeit, mir zu dem Fall folgendes zu schreiben: „Während
des Weltkrieges in Indien festgehaltene gebildete Deutsche haben alle
drei Fälle (Mangobaum, Seilkunststück, Korbversuch) durch zahlreiche
x) Paul spricht auch kurz von dem Oberston Townsend, der die Fähigkeit
hatte, den Herzschlag willkürlich zu beeinflussen.
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