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Klinkowstroem: Indische Gauklerkünste.
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photographische Aufnahmen als Suggestion erwiesen. Auf den Platten
sieht man stets den Inder und den Knaben etwas lächelnd am Boden
hocken, man sieht, wie diejenigen Zuschauer, welche die Sprache des
Inders verstehen, entsetzt in die Luft oder auf die Erde blicken,
während solche Beobachter, welche die vom Inder gesprochene Sprache
nicht beherrschen., ganz gleichgültig wie immer aussehen. Diese letzteren
erleben niemals etwas, auch bei Hinweis nicht. Ich möchte besonders
auf die Art der Suggestion hinweisen. Es ist unbedingt eine
Verbalsuggestion, aber ganz eigentümlicher Art. Der Inder murmelt
jeweils lange in seinem heimatlichen Dialekt, welchen kaum ein beiwohnender
Europäer versteht, und selbst Sprachkenntnisse vorausgesetzt
, würde er es doch nicht verstehen, weil der Inder die Woirtta
nur unverständlich murmelt. In dieses einlullende Murmeln, welches
>on Musik, Parfüms usf. begleitet sein mag, streut er plötzlich in deutlicher
Artikulation Worte, welche angeben, welche Einzelheit jetzt
gesehen werden seil {dies meist in englischer Sprache) ... Ich habe
unter meinen nationalindischen Schülern und Freunden (schwarze
Inder aus entlegeneren Gebieten) ebenfalls nur die Sicherheit gewinnen
können, daß unbedingt die Worte nötig sind. Meine Frau
erlebte übrigens voa* Jahren eine Variante: ,ein Fakir suggerierte
riesige Feuerflammen, die aus einem Becken aufstiegen. Meine Frau
faßte das Becken an und fand, daß esi genau so> kalt war wie vorher
." Henning meint, wenn ein Beobachter behaupte, daß keine Verbalsuggestion
vorliege, so sei das ein Irrtum. So sagte z. (B. Dr.
Schönbrunn in seinem Bericht ausdrücklich, der Yogin habe die
ganze Vorführung völlig schweigenä ausgeführt. Allerdings hatte dieser
Augenzeuge von vornherein die Erwartung, daß er das Seilexperiment
sehen würde.
Anderer Ansicht als Henning ist der Physiko-Chemiker Dr. Paul
Vageler , ein ausgezeichneter Indienkenner (zur Zeit in Abessinienj.
Er schrieb mir: „Ich bin überzeugt, daß alle diese Experimente im
kalten Klima bei den phantasielosen Nordländern nicht gelingen, so
leicht sie im Tropenklima bei den phantasiereichen Orientalen gehen.
Man muß eben für jedes Experiment seine äußeren Bedingungen einhalten
... Deswegen, weil ich die im Verhältnisse zu uns ungeheuere
Suggestibilität des Orientalen und vor allem des Inders genau aus
eigener Anschauimg kenne, ist, glaube ich, das Suchen nach Augenzeugen
ein ziemlich überflüssiges Beginnen. Denn die ganzen Yogikunststücke
sind meiner festen Ueberzeugung nach nichts weiter als
die Potenzicrung unserer Wachsuggestionen, die sich aus der über
alle Zweifel vorzüglichen Schulung der indischen Yogin für hypnotische
Experimente und ihrer Ausübung an einem hochsuggestiblen,
durch einschläfernde Musik, Hitze usw. technisch glänzend präparierten
, an sich der tollsten Phantastik zugeneigten Zuschauerkreise zwanglos
von selbst ergibt und nicht das geringste Wunderbare an sich hat.
Wunderbar ist einzig das Konzentrationsvermögen der Yogin, das sie
einer meist durch Generationen vererbten Anlage und einem Training
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