Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
51. Jahrgang.1924
Seite: XIII
(PDF, 233 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1924/0419
— XJ.1JL —

Unter diesen Umständen ist es nur allzu natürlich, daß sich höchstes
Erleben des menschlichen Geistes, die elementarste Wucht schöpferischer
Kraft, die künstlerische Begabung in der Physiognomie des Menschen
offenbart. Denn wie sehr auch die künstlerische Begabung eine entsprechende
angeborene Veranlagung und eine entsprechende Uebung
vorausbetzt, jedenfalls ist sie auch organisch fundiert und erschließt sich
als etwas Lebendiges der biologischen Betrachtung. Dabei lokalisiert
sich die künstlerische Begabung in ihrer äußerlichen Darstellung durchaus
nie an bestimmten Körperstellen, sondern wie ein einzelner Ton
noch nicht Musik, eine bestimmte Farbe noch kein Gemälde bedeutet,
so liefert auch ein bestimmtes physiognomisches Merkmal noch nicht
die Eiklärung einer künstlerischen Begabung, vielmehr spiegelt sie sich
wahrhaft nur im Zusammenspiel einer ganzen Reihe von Merkmalen.
Und die Errichtung von Denkmälern, die Porträtmalerei, die Schauspielkunst
beweisen, daß die Menschen seit den ältesten Zeiten an die
Physiognomik Rauben und sich Größe des Geistes und der Tat einzuh
prägen bemühen. 1 ,! | i !|i

In seiner Wesenheit spielt das künstlerische Schaffen unzweifelhaft
in das Geschlechtliche, in das Erotische, genauer gesagt, in den Akt
der Zeugung hinein. Schopenhauer schreibt Ende der 20er Jahre in sein
Tagebuch: „Ich fühle in meinem Kopfe, in meinem Geiste eine neue
Philosophie entstehen. Ich weiß noch nicht, was wird, wie sie wird,
ich fühle mich schwanger wie eine Frau von einem Kind sich bchwanger
fühlt und ich fühle, wie dies nach außen drängt." Aehnlich schrieb
Richard Wagner 1834: „Ich liege in der Gebärungskrisis und bin'
schwanger bis zum Platzen." Physiognomisch drückt sich das darin aus,
daß alle wahrhaft großen Künstler, die Männer einen stark femininen
und die Frauen einen maskulintn Einschlag zeigen, der als ein Plus
auftritt. Es wird dies auch als eine Gabe, Be-Gabuiig, als eine Bevor^
zugung vor dem Allzuvielen empfunden und erzeugt das Bewußtsein
einer schöpferischen Kraft Die Zeugung wird zur Ueber-Zeugung,
weshalb jedes echte Kunstwerk ins Geistige, d. i. ins Ewige transformiert
erscheint Wir finden die feminine Begabung auch bei Männern, wo
sie kein Plus darstellt, die dann auch keine Schöpfer im eigentlichen
Sinne waren, wie Ludwig II. In dieser Weise suchte in einem Uraniavortrag
in Prag der Physiognomiker Kotthaus das Wesen der künstlerischen
Begabung zu ergründen, um sodann die physiognomische Offen-
barung der künstlerischen Begabung folgendermaßen zu indizieren:

1. Läßt sich plastische Begabung, Sinn für Bildhauerei deutlich erkennen
. Merkwürdigerweise weist die Psysiognomie großer Bildhauer
wie Michelangelo, Rodin, eine gewisse Aehnlichkeit mit der Physiognomie
großer Naturforscher auf, d. i. eine starke Ausbildung der unteren
Stirnpartie, ein starkes Hervorspringen der Augenbrauenpartie und eine
große Wölbung des Schädels. Der Sinn für Plastik zeigt sich besonders
an der Formung der inneren Augenwinkel, wie das z. B. auch bei
dem Maler Böcklin der Fall ist. Im ganzen weist der Kopf der
großen Bildhauer eine große Sinnenfreudigkeit, ein starkes Naturgefühl
auf. Anders stellt sich die Physiognomie des Malers dar. Da läßt die
Führung der Augenbrauen einen besonderen Farbensinn erkennen,
wie dies etwa auf dem Selbstbildnis Raffaels und Dürers ganz deutlich
sichtbar ist Die Gesichtszüge des Malers sind auf die Beobachtung
eingestellt, und zwar beim Maler auf die Farbe, beim Bildhauer auf
das Plastische — also bei beiden auf das Visuelle.

Ganz anders beim Dichter. Bei diesem tritt eine bestimmte Bogen-
führung des Schädels, eine ganz bestimmte Wölbung und Rundung»
auf, so bei Shakespeare, Björnson, Goethe und selbst an der Büste
Homers. Die Wölbung und Rundung wiederholt sich in den Augenbrauen
. Das ist z. B. auch auf dem Selbstbildnis Raffaels der Fall,
dessen wunderbare Sonetten ja bekannt sind. Im Auge des Dichters liegt


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