Freiburger historische Bestände - digital

408 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 7. Heft. (Juli 1924.)

noch mehr verwundert, denn ich sah, daß der Hirt, mit noch immer
offenem Rock, aber heiler Brust, dalag und sich in einem
ruhigen Schlaf befand, während der Tushegoun Lama am offenen
Feuer saß, seine Pfeife rauchte und in tiefen Gedanken in die Flammen
starrte.

,Das ist wunderbar/ bekannte ich, ,ich habe niemals dergleichen
gesehen. ,Wovon reden Sie?' fragte der Kalmück. ,Von Ihrem Wunder
— wie Sie es nennen*, erwiderte ich. ,Ich habe es niemals so
genannt', verwies mich der Kalmück mit kaltem Ausdruck in seiner
Stimme. ,Haben Sie es gesehen?' fragte ich meinen Begleiter. ,Was?'
fragte dieser schläfrig. — Ich verstand, daß ich zum Opfer der hypnotischen
Kraft des Tushegoun Lama geworden war

Am folgenden Tage, beim Abschiede, sagte der Kalmück zu
Ossendowski: „Was Sie gestern Abend erlebt haben, war nur
eine flüchtige Demonstration. Ihr Europäer wollt nicht erkennen,
daß wir unaufgeklärten Nomaden die Kräfte des geheimen Wissens
besitzen. Wenn Sie nur die Wunder und die Macht des Heiligsten
Tashi Lama erblicken könnten, auf dessen Befehl sich z. B. die Lampen
und Lichter vor der alten Statue Buddhas entzünden, dann würden
Sie anders denken ..

Der Verfasser erzählt dann von einigen weiteren legendär klingenden
Taten Tushegoun Lamas, von denen ihm berichtet wurde, wie
er z. B. seinen mongolischen Kriegern eine verheißungsvolle Vision
vorzaubert, um ihnen vor der Eroberung der Feste Kobdo Mut zu
machen, usw. Auch sonst finden sich in dem Buch verstreut okkulte
Erlebnisse.

Nachtrag.

Herrn Dr. med. Edm. Boettger in Potsdam verdanke ich den
Hinweis auf einen weiteren Augenzeugen des Seilkunststücks, einen
Zeugen, jden er als nach jeder Richtung hin unbedingt glaubwürdig bezeichnet
: Herrn R. E. Fischer in Potsdam, ehemals Chef vom
Topographischen Dienst bei der Bataafsche Petroleum Maatschappij,
der bei seinem 3o jährigen Aufenthalt in Indien verschiedene Maie Gelegenheit
gehabt hat, das Seilkunststück durch herumreisende Vorderinder
vorführen zu sehen. Herr Fischer hatte die Liebenswürdigkeit,
mir auf meine Bitte, die von einem Hinweis auf bestimmte Details
der Vorführung begleitet war, den folgenden Bericht zur Verfügung
zu stellen:

„Als langjähriger Vorsitzender der Societät Balik Papan von der
Bataafsche Petroleum Maatschappij lag es mir ob, so oft tunlich für
Zerstreuungen der Beamten, insbesondere deren Kinder, zu sorgen.
So wurden denn hin und wieder herumreisende und sich bei mir anmeldende
Yogin für eine bis zwei Vorstellungen zu dem geringen
Preise von io—15 Gulden engagiert, welche teils unter freiem Himmel,
teils auch in dem Saale der Societät stattfanden.