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418 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 7. Heft. (Juli 1924.)
ihn daran zu erinnern, daß ich den Vorgang der Ilistolyse mit fast
den gleichen Ausdrücken wie er beschrieben habe (Revue Metapsychique
vom Nov./Dez. 1920).
2. Frage der Deutung:
enn in Frage der Tatsachen keine wesentliche Abweichung
zwischen der Beschreibung Prof. Zimmers und der meinigen besteht,
so erseheint mir im Gegenteil dort, wo es sich um die Deutung handelt,
der Gegensatz vollständig zu sein. Mein gelehrter Widersacher möge
mir erlauben, meinerseits seine Meinung zu diskutieren.
Für ihn unterscheidet sich der Vorgang der Histolyse und Histo-
genese in der Puppe nicht von den normalen Vorgängen der Assimilation
. Der aus der histolytischen Degeneration der Organe entstehende
Nährbrei dient dazu, die in Bildung begriffenen Organe zu ernähren,
„genau in der gleichen Weise, wie beim tierischen Wachstum die mit
dem Blute vom Darm her transportierte Nährflüssigkeit und bei der
Ernbryonalentvvicklung der Nährdotter oder die vom mütterlichen
Körper gelieferte Nährsubstanz zum Aufbau der Gewebe verwandt
wird." — „Die Entstehung der neuen Organe geht hier genau so vor sich,
wie allenthalben im tierischen Körper bei Wachstum und Entwicklung
neues Gewebe und neue Organe entstehen."
Docli wohl nicht! Ich weiß nicht, ob der Vergleich, den ich
zwischen dem Vorgang der Ektoplasmabildung und der Histolyse aufgestellt
habe, durch spätere Untersuchungen gerechtfertigt wird oder
nicht. Aber sicher ist die Frage unendlich verwickelier, als Prof.
Zimmer es meint. Wenn wir auf den Grund der Dinge gehen, werden wir
sofort erkennen, daß keine wirkliche Analogie zwischen der auf die
Histolyse folgenden Organbildung und der normalen Histogenese bei
Wachstum und Organerneuerung besteht. Wie arbeitet immer die
normale Histogenese? Durch die Assimilation fremder von
außen aufgenommener Stoffe, niemals aber, in keinem Fall,
durch Assimilation von Stoffen, die aus dem Organismus selber entnommen
sind, eine Assimilation, die geradezu eine Selbstverzehrung*
darstellen würde. Daß der Organismus auf dem Wege der Selbstver-
zehrung sich neue Organe auf Kosten der alten sollte bilden können,
das ist, was a priori unmöglich erscheint und was wirklich ohne Beispiel
in der normalen Biologie ist.
Der normale Vorgang der Entwicklung und -der Organerneuerung
bedingt eine von außen eingeführte auf dem Wege der Verdauung oder
auf anderem Wege aufgenommene Nahrung. Diese Nahrung wird nicht
völlig verbraucht, es findet eine Auswahl statt, beträchtliche Mengen
von Abfallstoffen werden ausgeworfen. Bei der Puppe gibt es nichts
Aehnliches. Die Puppe stellt ein geschlossenes Gefäß dar, in das keine
Nahrung eingeführt werden kann und in dem man keine Abfallstoffe
findet.
Die Entwicklung des Embryos auf Kosten des Eies geschieht nach
denselben Gesetzen wie die Entwicklung des ausgebildeten Tieres. Der
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