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Zeitschriftentibersicht
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anzustellen, die ja doch immer nur zu neuen Enttäuschungen führen
müßten ?
Man kann ohne Uebertreibung sagen, daß das metapsychische Gebiet
heute einer starken „Depression" unterworfen ist. Die letzten Fehlschläge
in Paris, Wien, Budapest haben auch die Wohlwollenden
skeptisch gemacht Es ist so unendlich schwer, den natürlichen Drang
der Verallgemeinerung zu unterdrücken, den vorurteilslosen Glauben
zu bewahren, und die Bereitschaft, jeden neuen Fall mit derselben
Objektivität zu prüfen, als ob sich bis jetzt nicht die mindeste Schwindelei
ereignet hätte. Wer heute in Gelehrtenkreisen über Mediumismus
spricht, begegnet im besten Fall einer eisigen Kälte. Dennoch darf
die Forschung auf einem Gebiete, wo die geringste wirklich unleugbar
bewiesene Tatsache revolutionierend wirken müßte, auf unser gesamtes
wissenschaftliches System, in keinem Augenblick erlahmen.
Nachstehend seien in vollster Objektivität die Beobachtungen verzeichnet
, die bei den Versuchen mit einem neuartigen Medium, dem „Feuermenschen
" E r t o, im Pariser metapsychischen Institut gemacht wurden
. Ertc ist von keinem Manager begleitet, er gibt keine „Seancen",
denkt nicht an eine „Tournee". Er ist auf Einladung des Dr. Geley
von seiner Heimat, einem Dorfe bei Neapel, wo er den ehrsamen
Beruf eines Chiantihändlers ausübt, zu Prüfungszwecken nach Paris
gekommen. Aeußerlich ist an dem Manne nichts Auffallendes zu bemerken
. Kurz, gedrungen, etwas fettleibig, rundes, gutmütiges Gesicht
, kein ausgesprochener Rassetypus. Er raucht vor der Sitzung
in aller Ruhe seine Zigarette. Darin zieht er sich vollkommen nackt
aus und bekleidet sich mit einem eigens zu diesem Zwecke hergestellten
Trikot, das ihn von Kopf bis zu den Füßen vollkommen bedeckt.
Besonders sorgfältig werden die Hände kontrolliert. Sie werden in
Boxerhandschuhe gesteckt, die am Gelenk versiegelt werden. Erto
setzt sich auf einen Feldstuhl, der vorher von allen Anwesenden untersucht
wurde. Im Raum wird rotes Licht angedreht, Erto schläft nach
wenigen Minuten ein. Der Trancezustand beginnt. Das Medium seufzt,
röchelt, stößt mit heiserer Stimme unartikulierte Laute aus. Plötzlich
erscheinen in geringer Entfernung zungenartige Flammen, die nach
Art von Irrlichtern im Räume umhertanzen. Dann erscheint ein
Schimmer über dem Kopfe Ertos. Nach und nach wird der ganze
Körper wie in Flammen gehüllt. Besonders aus der Brust strömt es wie
ein verzehrender Funkenregen, das Medium gleicht einem einzigen
Feuerbrande, das Trikot wie ein glühender eiserner Panzer. Dann
nimmt das Phänomen langsam ab, ähnlich einem verlöschenden Glühlichtstrumpf
, schließlich bleibt nichts mehr, Erto wacht auf, wir können
von neuem untersuchen — es bleibt nichts als ein gutmütiger Chianti-
verkäuf er aus Neapel ...
Im Institut metapsychique will man die Versuche noch einen Monat
lang weiterführen. Die letzten Mißerfolge in Mitteleuropa haben
skeptisch gemacht. Aber man kann, man darf nicht von vornherein
ablehnen: die Diskussion im Falle Erto ist eröffnet. P.
Zeitschriftenübersicht.
Revue metapsychique, 1924, Nr. 1.
1. Richet: Die Verteidigung der Metapsychik. Polemischer Aufsatz
gegen einen Kritiker. Bemerkenswert ist, daß Richet, obwohl er von
der Wirklichkeit der paraphysischen Phänomene überzeugt ist, diese
Sicherheit doch nicht für so groß hält wie die für die parapsychischen.
2. Hans Driesch: Die metapsychischen Phänomene vom biologischen
Gesichtspunkt aus. Sehr gute und klare Zusammenfassung der Ansichten
von Driesch über die Beziehungen der Metapsychik zur Biologie,
wie sie auch in den Psych. Studien (Februar und Dezember 1923) schon
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