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500 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 8. Heft (August 1924.)
Die Verwendung der Hypnose und die Mitwirkung
von Medien in der Rechtspflege.
Im Anschluß an einen gleichnamigen Aufsatz von Prof. W. Gruhie
aus der Heidelberger Psychiatrischen Klinik.
Von Di. E. Kindborg, Facharzt für innere und Nervenkrankheiten
in Breslau.
Nur selten begegnet der Forscher auf okkultistischem Gebiete
einem Aufsatze in der medizinischen Fachpresse, den er mit ungetrübter
Freude lesen kaim. Umsomehr \ erdient ein solcher durch
Besprechung weiteren an diesen Problemen interessierten Kreisen bekannt
gegeben zu werden. Der in der Uebeischrift näher bezeichnete
Aufsatz von W. Gruhle, in der Zeitschrift für d'e gesamte Neurologie
und Psychiatrie, Band 82 Jahrgang 1923 (Festschrift für den bekannten
Schweizer Psychiater Bleuler), bespricht zunächst die Fälle,
in denen von Seiten irgendwelcher Angeschuldigter oder von sittlich
gefallenen Mädchen behauptet wird, daß sie das Opfer hypnotischer
Einwirkung geworden seien. Er warnt und meiner Meinung nach mit
Recht — davor, zu glauben, daß man von einer Befragung in der Hypnose
mit Sicherheit eine objektive Wiedergabe von Tatbeständen erwarten
könne. Er sagt „Leidenschaften und Wünsche werden in der
Hypnose genau so ihr Motivspiel treiben, wie im Wachen, vielleicht
sogar noch deutlicher, freier, hemmungsloser. Andererseits gibt er
die Möglichkeit zu, daß ein Verbrecher gelegentlich in der Hypnose ein
Geständnis ablegen könne, wenn er nämlich von vornherein der Meinung
wäre, daß man im Tiefschlaf nichts verbergen könne.
Dem gegenüber bin ich jedoch der A.nsicht, daß man in der Beurteilung
derartiger „Geständnisse4 nicht vorsichtig genug sein könnte.
Tritt doch in tiefer Hypnose bei geeigneten Individuen sofort auf Eingabe
von Situationen die Traumphantasie in Tätigkeit. So habe ich es
wiederholt erlebt, daß mir Versuchspersonen beim Befragen über hellseherisch
wahrzunehmende Situationen oder ähnliches, was sie nicht
unmittelbar wissen konnten, das Blaue vom Himmel herunter phantasierten
. Und das gleiche könnte doch gelegentlich beim Befragen über
kriminalistische Situationen der Fall sein. Wie ich auch umgekehrt
das vom Verfasser erwähnte „Geständnis" in einem Einzelfalle, daß
alle zu\or im Wachen gemachten Angaben Schwindel gewesen seien,
ohne genauere Kenntnis des Falles nicht allzu ernst nehmen würde.
Kommt doch hierbei wieder die Beeinflussung —.wenn auch die ungewollte
- durch einen von vornherein skeptischen Hypnotiseur in
Frage.
Ich bin aber gleich noch einen Schritt weiter gegangen und habe
bei drei geeigneten Personen, die sich mir aus reinem Interesse für die
Sache zu Experimentalz wecken zur Verfügung gestellt haben und denen
ich hierfür zu Dank verpflichtet bin, Versuche in der besagten Richtung
angestellt. Ich suggerierte jeder dieser Personen, ohne daß sie irgendwie
vorbereitet waren, oder daß eine von der anderen wissen konnte,
<uu gedachtes Vergehen und zwar je einen Diebstahl. Der eine junge
"Mann, der bei einem Zahntechniker in der Lehre Ist, war durch Zu-
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