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Quade: Ueber den Rapport.
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Mit einem anderen Mitglied der Gesellschaft, Frau v. V., machte
der Vortragende psychoskopische Versuche sowie solche über das Bedenken
von Karten. U. a. wurden Frau v. V. Briefe in verschlossenen
weißen Umschlägen vorgelegt, die eine dritte Person eingepackt hatte,
so daß auch Q. nichts von ihrem Inhalt wußte. Es war nun bemerkenswert
, wie Frau v. V. nicht nur den gedanklichen Inhalt der Briefe,
sondern auch die Stimmung, in der sie geschrieben waren, und die
mehr oder minder sympathische Einstellung der Schreiber zu den
Empfängern herausfühlte, also alle Seiten der psychischen Dinge, die
den z. T. mehrere Jahre alten Schreiben anhafteten, empfand.
Von den zahlreichen Bedenkversuchen .Q's mit Frau v. V. sei im
vorliegenden Zusammenhang einer angeführt: Q. selbst hatte zunächst
mehrfach das Vorstellungsbild eines ruhenden Gegenstandes auf ein
Blatt Papier heraufgedacht, indem er es an die Stirn hielt und hatte
dann Frau v. V. dies Blatt mit dem Ersuchen gegeben, das Heraufgedachte
zu beschreiben. Die Resultate waren nicht ganz befriedigend,
die Vorstellungsbilder zu unscharf, weswegen Q., um sich besser zu
konzentrieren, einmal das Bild einer Leiter, bestehend aus zwei senkrechten
Strichen und drei verbindenden Querstrichen in der Weise auf
das Blatt dachte, daß er immer wieder die fünf Striche in Gedanken
auf dem Papier zog — natürlich ohne jede entsprechende Bewegung
der beiden durch das Halten des Papiers an die Stirn fixierten Hände.
Das sehr überraschende Ergebnis war nun, daß Frau v. V. die
Leiter erkannte und als solche bezeichnete, nur statt der drei Sprossen
zwei sich bewegende Stufen zwischen den senkrecht das Papier kreuzenden
Stangen wahrnahm.
Psychische Dinge sind also nicht notwendig ruhende Gebilde. Die
oben geäußerte Vermutung, daß sie durch eine Vorstellung in Schwingung
gebracht werden könnten, erfährt hier eine experimentelle Stütze.
Dem Psychoskopiker dienen psychische Dinge, die einem Brief,
einem getragenen Ring, einem Büschel abgeschnittener Haare anhaften,
dazu, mit dem Schreiber oder ehemaligen Träger der Gegenstände in
Rapport zu kommen. Er erfühlt, wie dies oben ausgeführt wurde, den
gesamten seelischen Inhalt solcher Gebilde und erweckt durch seine
Vorstellung desselben Resonanz im Geistleib dessen, von dem sie ausgingen
und dessen Wesen sie atmen. Das aber schafft eine Verbindungslinie
, die den für seelische Schwingungen Empfänglichen
ohne weiteres jenen anderen finden läßt, während dieser selbst nichts
davon merken wird, weil ja durchaus keine starke Resonanz durch die
bloße schnelle, affektlose Vorstellung des Hellsehers erregt wird.
Der Hellseher weiß sich auch mit unbelebten Gegenständen in
Rapport zu setzen, wenn sie nur Träger gleichartiger psychischer Dinge
nnd, wie er sie in sich, >ielleicht gar nicht bewußt, zur Vorstellung
bringen kann. So kann er sich im Geist in eine Wohnung versetzen,
die er nie besucht hat, wenn er zuvor zu einem andern in psychischen
Rapport getreten ist, der in diesen Räumen Spuren seines Wesens
hinterlassen hat. Ein Hellseher gewinnt schon zu Personen, mit denen
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