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Quade: Ueber den Rapport.
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Person erfolgt und das Auftauchen einer der ersten verwandten Vorstellung
bedingt. Im Raum seiner eigenen Seele ist jeder für die Gedankenschwingungen
, welche von den einzelnen Dingen ausgehen,
empfänglich. Sonst gäbe es kein zusammenhängendes Denken.
Psychisch gleichartige Dinge werden bei verschiedensten Anlässen,
die viele Menschen auf engem Raum zusammenführen und affektiv
beeinflussen, erzeugt, so beim Anhören eines „packenden" Redners,
bei Volksversammlungen, bei Theater- und Musikaufführungen bei
Straßenaufläufen, bei Predigten und feierlichen Zeremonien in der
Kirche, bei militärischen Handlungen im Rahmen größerer Verbände.
Die in gleichem Rythmus schwingenden Gedanken so vieler verstärken
einander, es entsteht eine gehobene, gesteigerte Stimmung, eine Be-
geisterung, Gepacktheit, Rührung, oder auch eine Panik, eine Empörung
oder dgl. Gefühlserregungen, wie sie niemals in solcher Stärke auf-
treten würden, wenn nur einige wenige Menschen den gleichen Vorgang
beobachten oder erleben würden. Solche Massenstimmung kann, in-
folge Fixierung de, Aufmerksamkeit, sehr suggestibel sein und zu
Handlungen führen, die die einzelnen nicht ausführen würden und
könnten, wenn sie nicht durch die starke innere Resonanz gleichsam
betäubt wären.
Die religiöse Erhebung gelingt an feierlichen Orten in einer Umgebung
gleichgestimmter Seelen vielen leichter als daheim in der Einsamkeit
. Hat doch im Grunde die mystische Versenkung sowohl wie
das innige Gebet eine Art telepathischer Verbind img mit höheren
Mächten zum Ziel, eine Verbindung, die gerade von den intellektuellen
, der willensgelösten Sammlung kaum fähigen Stadtbewohnern
unserer Tage ohne solche äußeren Hilfen nur schwer erlangt wird.
Mit diesen höheren Mächten gleichgeartetes Psychisches in sich zu erzeugen
und zu besitzen, dürfte dem Weltmenschen deshalb besonders
schwer fallen, weil ja nicht mehr die den Charakter des Persönlichen
tragenden psychischen Dinge, die im Reiche der psychischen Dingwelt
den Rapport ermöglichen, die seelische Beziehung schaffen können,
sondern überpersönliches geistiges Erfühlen und Erleben.
Wer es in sich entwickelt hat und ganz davon erfüllt ist, der
Heilige, kann im Handauflegen und Segnen oder telepathisch etwas
von diesem auch in anderen, wenn sie „glauben", wachrufen, so daß
sie sich vorübergehend dem jenseitigen Kräfteeinstrom eröffnen. Dergleichen
mag, wenn auch selten, bei den ganz plötzlichen nicht mit
Autosuggestion erklärbaren Heilungen eintreten, die heilige Menschen
, zuweilen auch die Praktiker der Christian Science vollbrachten
und zwar, wie sie selbst annahmen, mit überirdischer Hilfe. Sie bezeichnen
sich deswegen nur als Mittler der Verbindung, als Kanal für
die göttliche Kraft.
In diesem Bereich, der Stufe ohne bestimmte Gestaltung (Arupa)
nach theosophischer Nomenklatur, wird man nicht mehr als Vorbedingung
für den Rapport gleichartige Dinge, sondern ein gleichartiges
psychisches Sein annehmen müssen.
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