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526 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 9. Heft. (September 1924.)
Folge einer nicht ausreichenden Publizität deutscher Forschungsergebnisse
im Auslande, daß grade der deutsche wissenschaftliche Okkultismus
, der zur Lösung der Telepathiefragen wesentliches beigesteuert
hat — ich brauche aus den letzten Jahren nur die Arbeiten von
Tischner und v. Wasielewski zu nennen — in ungenügendem
Umfange (außer dem Verf. nur Professor Konstantin Oesterreich
, Universität Tübingen) zur Mitarbeit aufgefordert worden ist.
Denn um eine solche bittet in dem von Dr. Gardner Murphy
verfaßten Rundschreiben das New Yorker Psychologische Institut, das
von einer Beantwortung bestimmter Spezialfragen und Mitteilung von
Erfahrungen in bezug auf Methode und psychologische Führung der
Vei suchspersonen — auf Details braucht hier nicht eingegangen zu
werden — sich eine Förderung seiner eigenen Telepathieversuche verspricht
, die, voi zwei Jahren begonnen, im kommenden Wintersemester
in großem Umfange und, wie es scheint, mit größten, durch die bisherigen
Resultate gerechtfertigten Erwartungen fori geführt werden
sollen.
Der Hinweis auf diese Resultate erscheint nun das allerwichtigste
an diesem auch sonst sehr willkommenen Rundschreiben, so daß
wohl auch ein größeres Auditorium bei den vermeldeten Zahlen
aufhorchen wird, während den mit dem Gebiet Vertrauten das Mitgeteilte
, zur Aufmunterung in ihrer Arbeit, oder anderen als Material
für eine nicht ganz unmögliche, nachdenkliche Revision ihres bisherigen
auf Täuschung oder Selbsttäuschung lautenden Verdikts dienen
könnte.
Gardner Murphy — ich hoffe mich mit der Kundgabe der
bisherigen Ergebnisse keiner Indiskretion schuldig zu machen — berichtet
also, daß die Versuche zur außersinnlichen Gedankenübertragung
vor etwa zwei Jahren mit drei Versuchspersonen begonnen wurden,
und daß zur Zeit mit elf Personen systematisch experimentiert werde,
zu denen noch dreißig andere hinzukämen, die sich gelegentlich dem
Institut zur Verfügung gestellt hätten. Unter den elf bisher systematisch
geprüften, die alle durch vorangegangene „spontane" Telepathieerlebnisse
sich für qualifiziert gehalten hatten, erschienen ihm
zwei „entschieden gut", nämlich völlig gleichwertig denen zu
sein, mit denen bisher von anderen Forschern die besten Resultate
erzielt worden seien; alle übrigen neun regelmäßigen Versuchspersonen
hätten ebenfalls „ziemlich gute" Resultate gezeigt, die weit über
jeden Zufall hinausgingen, so daß man „ziemlich sicher sein
könne, daß eine telepathische Begabung vorhanden
sei .
Man wird mir wohl zustimmen, wenn ich dieses Ergebnis für ein
unleugbar günstiges halte und mir, der ich auf diesem Experimentalgebiet
einige Erfahrung zu besitzen glaube (im Herbst erscheint von
mir bei Julius Püttmann, Stuttgart: Experimentelle Telepathie,
Neue Versuche zur telepathischen Uebertragung von Zeichnungen),
vielleicht eine Ansicht darüber auszusprechen gestatten, ob die von
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