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554 Psychische Studien, LI. Jahrgang. 9. Heft. (September 1924.)
mit dem Stativ, noch dachten sie an die einfachsten Kontrollmaßnahmen
." Ist wenigstens dies wahr? Nein, selbst dies nicht!
Auch noch in dem letztgenannten Protokoll habe ich ausdrücklich
auf die Unruhe „Irmas" (Pseudonym) hingewiesen, welche nie an den
Versuchen interessiert schien, und auf die besonderen Bemühungen
einer hinreichenden Technik des Augenverschlusses, für welche eine
Art mit Taschentuch und Watte abgedichteter „Autobrille" verwendet
wurde. Wer meine Versuchsanordnungen kritisch liest,
erkennt ohne weiteres, daß sie auf unbedingten Ausschluß
der Mitbenutzung der Augen abzielten, selbstverständlich
durch Ausschluß zunächst auch jeglicher direkten Nachhilfen
Irmas etwa durch Verschieben der Binde. Ihr Vater, der „Gelehrte",
erklärte mir noch jetzt seine Ueberzeugung, daß Irma nichts „gesehen
" habe, und ich selbst bin mit „den Herren" der Ansicht, daß
diese D e s s o i r sehe Behauptung unerwiesen ist, d. h. allenfalls nur
eine Schlußfolgerung aus Versuchen bildet, deren Versagen ob ihrer
„Neuheit" immerhin auch auf andere, eben psychologische Ursachen
zurückgeführt werden könnte, wie dem Psychologen Max Dessoir
hätte bekannt sein sollen. Zu einer abschließenden Nachprüfung dieser
Frage ist es nie gekommen, da „das Kind" naturgemäß nach dem
ihm mitgeteilten Ausfall der Dessoir sehen Sitzung zu einer weiteren
Prüfung bis heute nicht zu bewegen gewesen ist und widerwillig
aufgenommene Versuche in ihren Ergebnissen naturgemäß vernichtend
beeinflußt sein können.
Der „Gelehrte", Irmas Vater, war gelegentlich einev Sommerfrische
auf den Gedanken gekommen, einmal Pendelversuche mit Irma
zu machen, nachdem sich in ihrem Beisein Tischerhebungen, Klopflaute
u. a. sog. physikalische okkulte Phänomene gezeigt hatten. Die
Versuche \^aren sofort erfolgreich gewesen und mir in ihrer zunächst
primitiven Anordnung am 29. Dezember 1921 zum ersten Male bekanntgeworden
. Bei ihrem Ausbau meinen Vorschlägen entsprechend
hatte sich im allgemeinen bei jeder Neuanordnung eine erste Schwierigkeit
im Gelingen gezeigt, gelegentlich auch bei einer verfolgbaren
ablehnenden psychischen Einstellung ein längeres völliges Versagen
auch der primitiven Anordnungen, ohne daß also die
Sehmöglichkeit, wenn sie als die Voraussetzung sine qua non der
„Phänomenik" betrachtet wäre, eine Beschränkung erfahren oder irgendwie
behindert worden wäre, d. h. bei Anordnung der Versuche
auch ohne verbundene Augen. Das machte mich in meinem Urteil
dem „Gelehrten" gegenüber selbstverständlich vorsichtig, ich wünschte
die Möglichkeit eines weiteren Ausbaues der Versuche nicht zu behindern«
zumal in jene Zeit die Erfolge meiner parapsychischen „Grundversuche"
mit anderen Sensitiven fielen, welche von ähnlichen Anordnungen ausgehend
, die Fähigkeit eines Wählens z. B. einer Versuchskarte unter sechs
anderen im völlig Finsteren ergaben. Es ist übrigens für die Auswertung
meiner Versuche beachtlich, daß Dessoir die Sehmöglichkeit
bereits ausgeschaltet glaubt, wenn er
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