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Schröder: „Pseudo-Entlarvungen"
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das Licht (im Falle Irmas) nur verminderte. Schon hieraus
hätte er schließen sollen, daß es sich möglicherweise um eine rein
psychische Behinderung unter der Ungewohntheit der Versuchsanordnung
gehandelt hat.
Im übrigen ist es in diesem Zusammenhange nicht von besonderem
Belang, wie weit sich die Ergebnisse meiner Versuchsanordnungen
mit den gleichen oder gleichwertigen D e s s o i r sehen decken,
da es sich hier nicht um eine Auswertung von Irmas Phänomenik,
sondern um eine Kritik des D e s s o i r sehen Feuilletonartikels handelt
. Dennoch hebe ich kurz hervor, daß die Ergebnisse völlig gleichstimmig
waren und auch mich damit rechnen ließen, die Phänomenik
mit den „points de repere" möglicherweise gedeutet zu sehen. In
meiner zweiten Sitzung am 2. Januar 1922 war als Beisitzer Herr
Dr. med. W. v. Rutkowski (Berlin) anwesend. Herr Sanitätsrat
Dr. C. Bruck hatte sich (ohne mein Vorwissen) an diesen jetzt gewendet
, um sein Urteil über die Irmasche Phänomenik und meine Methodik
zu hören. In seiner bezüglichen Antwort vom 10. Juli 192/4
schreibt mii W, v. Rutkowski u.a. diese Auffassung,
die „points de repere" als die maßgebliche Vorbedingung
für die „Phänomenik" anzusprechen,
sogar uneingeschränkt gemäß unseres damaligen Gespräches auf dem
zunächst gemeinsamen Nachhausewege zu. Er fährt fort: „Also Des-
soirs Entlarvungen kamen einen Posttag zu spät (von
v. Rutkowski unterstrichen, Verf.), Schröder hat damals die
Versuche geleitet und, um die points de repere auszuschalten, hat er
immer das gleiche Stück Papier auf die verschiedenen Schachteln gelegt
." Also auch in dieser Beziehung zeigt sich, daß Dessoir zur
Lösung des Problems nichts, aber auch nichts beigetragen
hat, als es zu einer auf gehäufte, in ihrem Ausmaße
unerhörte Unwahrheiten gestützten, schmählichen
Beschimpfung deutscher Wissenschaftler und Gelehrter
auszunutzen.
Aber auch hiermit ist es noch nicht genug! Dessoir behauptet,
es seien vor ihm „die das Schwingen hervorrufenden Armbewegungen
Irmas nicht bemerkt, noch Versuche mit dem Stativ gemacht" worden.
In der Tat hal niemand von den Herren Armbewegungen Irmas bemerkt
, trotz allerschärfster darauf gerichteter Beobachtung, und diese
Beobachtung Dessoirs versteht sich einfach aus seinem Wunsche,
die Schwingungen zu erklären. Wohl aber berichten übereinstimmend
Bruck, Sünner und der Vater Irmas, daß man die Arm - und
Fingermotorik Dessoirs, der seine Kontrollversuche am
Stativ mit unverbundenen Augen machte und starr auf das Pendel
sah, ohne weiteres als deutliche „Schiebungen" verfolgen
konnte. Dagegen schienen bei Irma n-ur hier und
cl a, aber keineswegs die Regel, minutiöse Motoriken in dem
den Faden auf die schiefe Ebene des Stativs aufdrückenden Finger,
wenn auch nur in zweifelhafter Deutlichkeit aufzutreten, die bereits
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