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Vom Btichertisch
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fehlt meist der weite Blick und die Unbekümmertheit des „Outsiders",
wie sie z. B. Spengler eigen. In der vorliegenden Schrift hat uns nun
der Münchner Paläontologe Edgar Dacque ein solches Werk geboten
, dessen kühne und neue Gedanken ohne Zweifel seitens der Fachwelt
auf erheblichen Widerspruch stoßen werden, weil sie den herrschenden
Ansichten vielfach geradezu ins Gesicht schlagen und in
sehr gewagten Hypothesen gipfeln. Es ist hier nicht der Ort, darzuzulegen
, wie sich Dacque mit der Deszendenztheorie kritisch auseinandersetzt
, der er seine „Typentheorie" gegenüberstellt. Mit Hilfe
dieses Gesetzes der Zeitformenbildung führt Verf. den Menschenstamm
in weit entlegenere Zeitepochen zurück, als es der Vorgeschichtsforscher
aus guten Gründen bisher wagen durfte. Freilich mutet es
uns zunächst grotesk an, uns den Menschen im Mesozoikum als amphibisches
Wesen mit reptilhaft scheinenden Merkmalen vorzustellen, oder
in der Triaszeit mit dem Zeitcharakter des Beuteltiers. Positive Belegstücke
für diese und ähnliche Annahmen kann Dacque allerdings nicht
beibringen. Den Wahrscheinlichkeitsbeweis dafür, daß der Mensch
diese Zeiten miterlebt hat, sieht Verf. u. a. in den Sagen von Drachen
und Lindwürmern. Mit allegorisicrenden Deutungen läßt sich nach
Dacque der Kern solcher Sagen nicht erschöpfen; sie weisen vielmehr
auf den Menschen als Zeitgenossen der großen Schrecksaurier hin, und
die Erinnerung daran hat sich in vielfach umgebildeter und verwaschener
Form bis in die geschichtliche Zeit erhalten. Auch die Sintflutsage,
die Atlantissage usw. werden in diesem Sinne ausgedeutet. Erst mit
dem „noachitischen" Menschen der Kreidezeit, dem Zeitgenossen der
Sintflut, wird das Großhirn allmählich so weit ausgebildet, daß man
von einem Intellektualmerschen sprechen kann. Wie denkt sich nun
Dacque die geistigen Qualitäten des vornoachitischen Menschen, wenn
er ihm Gedächtnis, Bewußtsein und doch wohl auch eine Art Sprache
zuschreibt? Das ist ein Kapitel, welches für den Leser d.eser Zeitschrift
von besonderem Interesse sein muß. Dacque schildert den Menschen
des Mesozoikums als ein Wesen von innigster Naturverbundenheit,
begabt mit einem Seelenzustaad, den er als „Natursichtigkeit" bezeichnet
. Auch sonstige „magische Kräfte" eigneten diesem Vormenschen,
von denen wir heute noch zuweilen atavistische Rudimente antreffen
(z. B. Hellsehen). Ein Stirnauge, heute als Zirbeldrüse verkümmert,
denkt sich der Verf. als peripetales Organ für derartige Fähigkeiten des
dämonisch-natursichtigen Urmenschen.
Wie man sieht, sind es völlig neue Perspektiven, die Dacque hier
eröffnet, mit denen sich kritisch auseinanderzusetzen den Rahmen einer
Buchbesprechung weit überschreiten würde. Er entwirft in reizvoller
Form ein idealistisches Weltbild, das sich in scharfen Gegensatz stellt
zur materialistisch-mechanistischen Weltauffassung. Als hohes Ziel
schwebt dem Verf. vor, „die äußere Empirik der Wissenschaft mit der
Innenschau des Sehers zu vereinigen zu einem vertieften symbolischen
Weltbild".
Diese kurzen Andeutungen mögen genügen, um das Interesse auch
des Okkultisten auf ein bedeutsames und ideenreiches Werk zu lenken,
das seinem Gedankenkreis anscheinend sonst ganz fernliegt, sich aber
tatsächlich nahe mit ihm berührt. Graf Carl v. Klincko wstroem.
Bö Yin Ea. Das Geheimnis. München 1923. Verlag der Weißen
Bücher. Kart. 3 M.
Aeußerlich gesehen eine schlichte Erzählung ohne spannende Mo-
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im Rhythmus der Sprache, in der Satzmelodie gehobener Strecken, in
den Zusammenklängen von Natur- und Menschenschilderung, ja nicht
zum wenigsten in der aus seelisch-geistigen Urtiefen aufquellenden
und das ganze Buch tragenden Stimmung — einer an die erhabene
Weltüberlegenheit der indischen Weisen gemahnenden Ruhe der Sicher-
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