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Ueberhorst: Moll und die Astrologie.
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ihre Sätze durch Erfahrung schafft und erhärtet, wie jede andere
moderne Wissenschaft, die außerdem mit den Methoden der Statistik
und des Experiments exakt zu arbeiten beginnt. Der Fundamentalsatz
Molls ist also falsch. Auch ist die Iloroskopie nicht „die Kunst, aus
den Sternen jemand (sie!) das Schicksal zu sagen". Vielmehr ist sie
zuvörderst — wenigstens in ihrem Hauplteil — angewandte spezielle
Psychologie und enthält allerdings sodann auch gewisse Möglichkeiten
der Zukunf t*leutung, die sich aus den aus der Erfahrung festgestellten
sog. Direktionen der Gestirne ergeben.
Auch von der Aufstellung eines Horoskops hat Moll keinen Begriff
, trotzdem er das aus jedem einzelnen der zahlreichen Lehrbücher
lernen konnte, bevor er sich vor einem Forum von Wissenschaftlern
darüber äußerte. Er meint, daß es dabei auf das Geburtsjahr, dann
auf den Geburtsmonat, d. h. das Tierkreiszeichen, und endlich noch
auf den Dekan ankomme, schließlich werde „oft (!) noch eine Reihe
anderer Dinge festgestellt. Um was es sich dabei handelt, verrät er
seinen Lesern nioht. Ich kann es verraten: es kommt noch auf die
. möglichst genaue Geburtsminute an und auf den Geburtsort, oder vielmehr
nur auf diese von Moll so geheimnisvoll angedeuteten Dinge.
Denn mit der Minute der Geburt ist ja Tag, Monat und Jahr gegeben.
Moll aber spricht gerade von der Minute sehr respektlos, indem er ihr
lediglich den Werl beimißi, bei etwaigen falschen Prognosen als Ausrede
herhalten zu können mit der Begründung, daß sie nicht stimme.
Er weiß nicht, daß es exakte Methoden gibt, aus einem nach ungefähren
Angaben berechneten Horoskop vermittels des sog. Rektifikationsverfahrens
die genaue Geburtsminute zu errechnen und danach
ein völlig exaktes Geburtshoroskop aufzustellen.
Mit solcher Kenntnis hat sich Moll, wie er behauptet, „natürlich"
sein eigenes Horoskop längst gestellt. 0 heilige Einfalt! Ich möchte
dieses Horoskop sehen. In der Erläuterung sagt er wörtlich, wobei das
Unsinnige des sachlichen Vortrags nur durch das miserable Deutsch
über troffen wird: „Wer am 4- Mai geboren ist — am 3. Mai ist noch
persönlicher Charakter — am l\. Mai Neigung zu okkulten Wissenschaften
und religiöser Sinn." Sodann fragt er: „Erstens* Wieviel
Personen sind am 4. Mai geboren und haben keine Neigung zu okkulten
Wissenschaften? Zweitens: Wieviel Personen sind an anderen
Tagen geboren und haben fliese Neigung?" Molls Logik ist hierbei
die folgende: „Wer am 4. Mai geboren ist, ist im Frühling geboren.
Wer also nicht am 4- Mai geboren ist, ist nicht im Frühling geboren."
Das ist eines Wissenschaftlers, der im Punkte Exaktheit und Korrektheit
sich so viel zugute hält, unwürdig. Es ist „Puppenstubenlogik!"
Die Sache ist die, daß man auf solche Art ein Horoskop schlechterdings
nicht auslegen kann, auch dann nicht, wenn man noch den
Jahresregenten heranzieht und das Zeichen Stier erläutert. Es sind das
nur einige^wenige der Data, die zur völligen Klarlegung eines Ilim-
melsbildes dienlich sind, wobei der Jahresregent überdies noch von
zweifelhaftem Wert ist, wie die moderne \strologie fast einhellig an-
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