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582 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 10. Heft. (Okt. 1924.)
nach kurzer Prüfung als unbrauchbar fortgeschickt, was sie übrigens
im voraus gewußt hatte. Sie war ihr Leben lang nur in weiblichen
Berufsarten, wie Kinderpflege usw., beschäftigt. Sie wußte nichts
von Spiritismus und hat keine literarischen Kenntnisse. Auch hatte
sich bis zum Jahr 1913 nicht das geringste Anzeichen der wunderbaren
Begabung ergeben, welche sie heute zeigt.
Ein Zufall ließ sie ihre mediumistische Fähigkeit entdecken. Frl.
K. F. besuchte eines Tages — es war im Juni oder Juli 1913 — mit
ihrer Mutter eine Freundin und traf diese mit Tischrücken beschäftigt.
Man veranlaßte K. F., ebenfalls die Hand auf den Tisch zu legen, und
der Tisch begann sich zu heben, erst nur wenig, dann aber plötzlich
so hoch, daß sie vom Stuhle aufstehen mußte, um mit der Hand
folgen zu können.
Am folgenden Tag versuchte Frl. K. F. das Experiment zu Hause.
Vergeblich, kein Phänomen zeigte sich. Als sie dies jener Freundin
mitteilte, fragte man bei dieser den Tisch. Angeblich teilte sich nun
der Vater Käthes mit und sagte, sie solle die Geduld nicht verlieren.
Aber auch weitere Versuche zu Hause hatten keinen besonderen Erfolg.
Es wurden tvptologisch nur Reden erhalten.
Eines Tages aber, als K. F. einen Bleistift zur Hand nahm, fing
derselbe zu ihrer üeberraschung zu schreiben an. Es meldete sich ihr
Großvater mütterlicherseits. Von jetzt ab schrieb sie oft und viel
automatisch. Der Inhalt dieser Schriften war religiöser Natur
(Frl. K. F. ist streng katholisch erzogen und sehr fromm). Nach
einiger Zeit wurde ihr automatisch der Befehl erteilt, alle ihre Schriften
zu verbrennen, und sie gehorchte, wenn auch zu ihrem großen
Leidweisen.
Nun stellte sich die Fähigkeit des automatischen Zeichnens
ein. Sie benützte zuerst Feder und Tinte. Bald meldete sich
wieder ihr verstorbener Vater und gab ihr den Rat, einen Malkasten
zu kaufen. Es wurde ihr sogar das Geschäft bezeichnet, wo sie die
Malutensilien erwerben solle. Das Medium gehorchte, und es entstanden
jetzt Aquarellbilder, meist Pflanzen- und Tierornamente.
K. F. fiel niemals in Trance; sie arbeitet auch heute noch in vollem
Wachbewußtsein, hat aber das Gefühl von Schläfrigkeit. Sie unterhält
sich während der Arbeit mit den Anwesenden, und wenn sie allein ist,
singt sie während des Malens.
Das Aquarellieren mußte bald aufgegeben werden, da die „geheime
Intelligenz" immer neue Bilder über die schon fertigen malte,
so daß schließlich nur ein wirres Durcheinander entstand.
Das Mädchen griff nun zu Pastellstiften und schließlich zu Farbstiften
. Die Technik machte entschieden Fortschritte. Alle Formate
wurden angewendet, vom großen Zeichenbogen bis zur Ansichtskarte
herab. Es wird keine bestimmte Stunde eingehalten. Wenn das Medium
will, erscheint sofort die geheime Kraft, und sie malt. Aber oftmals
überfällt sie der unwiderstehliche Drang, zu malen, und dann
muß sie diesem Verlangen nachgeben, wenn ihr auch die Zeit unge-
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