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586 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 10. Heft. (Okt. 1924.)
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haben soll. Auch Helene Smith, das berühmte Malmedium Prot
Flournoys (Genf) ist ein treffendes Beispiel. Sie hat einen Bilderzyklus
ans dem Leben Jesu hergestellt. Keines dieser Gemälde zeigt
Merkmale einer etwaigen krankhaften Empfindung oder dgl.; im Gegenteil
, es sind Meisterwerke, welche die Künstlerin im normalen Zustande
nicht zu schaffen imstande wäre: erst die „Trance" läßt in
ihr die Quelle des Genies fließen.
Die Ansicht M y e r s wird ferner bestätigt, wsnn man die künstlerischen
Leistungen der im Trance zu Künstlern gewordenen Medien
mit den Arbeiten jener Individuen vergleicht, welche erst im Wahnsinn
begonnen haben, sich künstlerisch zu betätigen. Fast ausnahmslos
sieht man bei den ersteren zwar fremdartige und bizarre, aber immerhin
planmäßig und zielbewußte, oftmals entschieden künstlerisch
höherstehendee Arbeiten, welche, wenn sie in Farben gegeben sind, fast
immer eine wahrhaft orientalische Farbenfreudigkeit zeigen.
Anders bei den Unglücklichen, die in der Nacht des Wahnsinns
versuchen.. Stift und Farbe zu gebrauchen. Nacfi Lombros.'o
kommt es öfters vor, daß Menschen unter der Einwirkung einer Geistesstörung
zu Malern werden, Personen, welche im früheren Leben
niemals zeichneten oder malten. Aber alle Zeichnungen und Malereien
derselben zeigen charakteristische Eigentümlichkeiten. p
„In der körperlichen Entwicklung zurückgebliebene Menschen,
Blödsinnige und Stumpfsinnige," sagt Lombroso, zeichnen entweder
wie die Kinder oder beschränken sich auf fortwährende Darstellung
desselben Gegenstandes." Lombroso weist an vielen Beispielen
nach, daß sich Kranke, welche erst im Wahnsinn zum Malen
veranlaßt werden, oftmals in der Wahl des Gegenstandes von ihrem
Uebel leiten lassen. Verbrecher und Wahnsinnige greifen tatsächlich
in der Ausdrucksweise des Gedankens auf prähistorische Zustände des
Urmenschen zurück.
Manche Geisteskranke zeigen besondere Neigung zur Arabeskenmalerei
und Ornamentzeichnung, welch letztere fast geometrische Formen
aufweist. Kranke, welche an Liebeswahnsinn, Geisteslähmung
und Delirium leiden, zeigen in ihren Zeichnungen die schamloseste
Obszönität. Als charakteristisch erscheint in den Darstellungen der Irrsinnigen
da?« Abgeschmackte, das Absurde, sowohl in den Formen, wie
in der Farbe.
Nichts von alledem ist bei den Medien zu finden. Wenn auch die
ersten Anfänge einfacher sind, als die späteren Arbeiten, so tritt doch
von der ersten Stunde an, sobald die Hand an die Führung dier leitenden
Intelligenz gewöhnt ist, ein gewisses künstlerisches Können zutage
. Die Entwicklung zu oft meisterhaften Leistungen geht hierbei
sehr schnell vor sich.
Man hat in den Zeichnungen der Wahnsinnigen mitunter eine
Aehnlichkeit mit den Arbeiten der Medien erkennen wollen, allein dies
ist nur bei oberflächlicher Betrachtung der Fall. In der Zeichnung
der Irrsinnigen ist, wie erwähnt, alles ohne Plan, ohne bestimmt aus-
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