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Tischner: Ueber Buchteste
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scheinen sollten. Und zwar waren das bemerkenswerte Angaben nicht
über den I n U a 11, denn das könnte ja durch Beziehungen zur Schriftleitung
in Erfahrung gebracht werden, sondern es wurdTdie Stelle auf
der Seite im Satz bezeichnet. Die Erkundigung in den „Times" ergab
daß der Zeilensatz erst am Spätnachmittag fertig wurde und daß der
Satz der Seite erst im Laufe der späten Abendstunden gegen Mitternacht
erfolge. Um ein Beispiel zu geben, so gab Feda an, daß
Thomas in der zweiten Spalte einer bestimmten Seite etwas oberhalb
der Mitte den Namen „Bernard" finden würde, ganz dicht dabei finde
sich der Name seines Vaters „John", außerdem werde er in der Nähe
den Namen seiner Tante Marie finden. Die Angaben waren alle drei
richtig, der Name fand sich an der angegebenen Stelle, fünf Zentimeter
davon in der Nachbarspalte fand sich der Name „John" und
drei Zeilen darüber der Name Marie. In einer Sitzung wurden einmal
zwölf Verweisungen auC die „Times" vom folgenden Morgen gegeben,
eine bezog sich auf den ihm unbekannten Namen eines Freundes
seines Vaters, erst Nachschauen in den väterlichen Papieren konnte die
Richtigkeit dieser Angabe zeigen. Nur zwei von diesen zwölf Angaben
erwiesen sich als falsch.
Berichte von anderer Seite über Zeitungsteste sind mir nicht bekannt
, Thomas scheint aber in England als glaubwürdiger Forscher
zu gelten, denn bei den Buchtesten wird er mehrfach als Forscher
und Zeuge erwähnt. Bestätigen sich seine Angaben über die Zeitungsteste
, dann hätten wir darin Beobachtungen halbexperimenteller Art
über zeitliches Fernsehen, und zwar hat dieses Fernsehen die Eigenart,
daß es sich um Ereignisse naher ^Zukunft handelt, deren Eintreffen
unmittelbar bevorsteht und schon „im Werke" ist. Es wäre bei der
theoretischen Bedeutung, die gerade die zeitliche Vorschau hat, sehr
zu wünschen, wenn dies Phänomen bei Frau Leonard durch weitere
Untersuchungen sichergestellt würde.
Wenn wir zur Würdigung übergehen, so fällt zuerst auf, daß
die Buchteste viel Aehnlichkeit haben mit den Kreuzkorrespondenzen
der Methode der „Minutes" und den „Literaturtesten", alle diese Methoden
sind keine reinen kryptästhetischen Experimente, es werden
meist keine ganz bestimmten Aufgaben gelöst, es sind vielmehr halbspontane
Vorkonunnisse, die außerdem alle in spiritistischer Verkleidung
und mit spiritistischer Voraussetzung auftreten, und sie haben
meist etwas Vages, Anspielungsreiches, was zweifellos der Phantasie
und der Deutung mehr Spielraum gibt, als für wissenschaftliche
Zwecke gut ist. Und man hat wohl auch gemeint, daß der Zufall
alles das zuwege bringen könne; auch Dessoir scheint dieser Meinung
zu sein, indem er vor einiger Zeit (Velhagen & Klasings Monatshefte
1923, April) darauf aufmerksam machte, was der Zufall leisten könne;
so habe ein englischer Gelehrter einmal durch Zufall folgenden Buchtest
bekommen. Er fragte sich, ob er nicht auf der Mitte einer bestimmten
Seite eines bestimmten Buches eine Beziehung zu seinem
Vater finden könne. Er schlug also die im voraus festgesetzte Seite
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