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Dennert: Ein bemerkenswerter Fall mediumistischer Schrift. 617
Diebstahl beschreiben, erklärte auch, daß er am nächsten Tag wiederkommen
würde. Dies geschah in der Tat, und der Dieb wurde gefaßt,
üebrigens sah sie in jenem Bankhaus ganze Scharen von Herren und
Damen in Rokokokostümen sich bewegen. Das betreffende Gebäude
war früher als Schloß benutzt, wovon die Seherin keine Ahnung!
hatte. Sie sah also wohl, was sich dort vor etwa i5o Jahren zugetragen
. Etwas Aehnliches erlebte der Schwiegersohn des Dekans F.,
ein Pfarrer, bei dem Frau L. zu Besuch war. Sie erzählte, daß in
dem Pfarrhaus ein alter Herr mit einem Stock einherginge. Die Beschreibung
paßte ganz auf den Vorgänger des Pfarrers. Der letztere
hat in Gegenwart von Frau L. auch mehrere Apporte erlebt. So erschienen
z. B. plötzlich aus der Luft her Muscheln, von denen behauptet
wird, daß sie nur am Schwarzen Meer vorkämen (!). Einstmals
sah Pfarrer Sch., daß sein Regenschirm frei in der Luft von der
Zimmerdecke herabhing.
Am wertvollsten sei wohl das Nachfolgende, da es Dekan F.
selbst erlebte und ei es mit dem ganzen Gewicht seiner Persönlichkeit
und Glaubwürdigkeit vertritt. Frau L. hatte sich bereit erklärt, ihm
eine Probe ihres Könnens zu geben: er möge eine Frage auf ein Stück
Papier schreiben, dann solle sie beantwortet werden. Dekan F. begab
sich in sein Studierzimmer und setzte sich an seinen Schreibtisch. Da
kam ihm der Gedanke, nach seinem Sohn zu fragen, den er im Krieg
verloren hatte. Er nahm ein Stück Papier, schrieb auf dasselbe mit
Tinte in deutscher Schrift: „Wie geht es Hermann?'4 und verschloß
es in einem Briefumschlag. Sodann begab er sich zurück in das
Wohnzimmer, wo Frau L. geblieben war. Er setzte sich 2 bis 3 m von
letzterer entfernt nieder, legte1* den geschlossenen Briefumschlag auf
seinen Oberschenkel und die Hände darauf.
Nach einiger Zeit verfiel Frau L. spontan in Trance und las dann:
„Wie geht es Hermann?" Dann verging wieder einige Zeit, bis plötzlich
ein Ruck durch1 ihren Körper ging und sie sagte, jetzt sei die Antwort
gekommen. Der Briefumschlag wurde geöffnet und das Blatt herausgenommen
; unter der Frage stand in fremden lateinischen Schriftzügen
als Antwort: „Gut". Dekan F. erklärt auf das bestimmteste, daß
dies vorher auf dem Zettel nicht gestanden; ferner hatte er den Briefumschlag
mit dem Zettel nicht aus der Hand gegeben, sondern, wie
beschrieben, auf seinem Bein liegend festgehalten. Es ist also ganz
ausgeschlossen, daß irgend jemand das Wort „gut" zwischendurch
aufgeschrieben hätte. Die Schrift war weder die des Dekans noch die
seines Sohnes, sondern hatte mehr Aehnlichkeit mit der der Frau L.
Eine ganz ähnliche Erfahrung machte der schon genannte Schwiegersohn
des Dekans F., der Pfarrer Sch. Er erwartete sehnlichst die
Berufung in ein Pfarramt und stellte eine entsprechende Frage, wie
oben beschrieben. Als Antwort stand nachher auf dam betreffenden
Papier: „Antwort nächste Woche". Allerdings dauerte es dann doch
noch1 etwas länger, bis die Berufung kam. Allein das ist ja bei der
ganzen Angelegenheit zunächst weniger wichtig, ebenso wie das „gut"
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