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634 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 10. Heft. (Okt. 1924.)
Heiligen. Wer seinen Individualwillen wieder in Harmone mit dem
göttlichen Universalwillen bringt, der vereinigt sich mit dem Absoluten
und wird besondere psychische und spirituelle Kräfte erlangen. Diese
Kräfte sind in jeder Menschenseele vorhanden; nur sind sie bei den
meisten Menschen „okkult", betont. Diese „okkulten" Fähigkeiten sind
dem Menschen im Laufe der Entwicklung verloren gegangen, weil der
Mensch eben diese Harmonie seiner Seele mit Gott, mit dem göttlichen
Allwillen verloren hat. Die christliche Religion nennt dies den
„Sündenfall". Durch diesen tatsächlich geschehenen „Sündenfall" wurde
diese Harmonie gestört und ^er Mensch verlor infolgedessen einen Teil
seiner psychischen Fähig* ien. Die Kräfte seiner Seele erhielten
so eine Einschränkung. . *as dem spirituellen Menschen wurde der
intellektuelle Mensch, der im Vergleich zu jenem bedeutend beschränktere
psychische Funktionen besaß. Also exeontrario nicht der mit
okkulten Fähigkeiten ausgestattete Mensch ist der minderwertigere,
sondern der jetzige intelleKtuelle Mensch, der diese höheren psychischen
Kräfte verloren hat infolge der nun vorhandenen Disharmonie mit dem
göttlichen Allwillen. Wie kann man also die okkulten psvehischen Kräfte,
wie Hellsehen, Telepathie und alle Intuition usw. als ein glücklich überwundenes
Ueberbleibsel, als Atavismus ansehen? Im Gegenteil ist der
Seelenzustand des heutigen Kulturmenschen viel beschränkter und eingeengter
als der seelische Zustand des Menschen vor dem „Sünden-
denfall", des „Paradiesesmenschen". Die Erkenntnisfähigkeit des Kulturmenschen
wurde durch den Verlust „okkulter" Seelenkräfte bedeutend
eingeschränkt und ist fas+ nur noch auf die sinnliche Erscheinungswelt
angewiesen, während ihm die absolute Geisteswelt, das
„Ding an sich", das wahre Wesen der Natur verschlossen ist, da sich
eben auch die feineren psychischen Sinne, die den Zusammenhang mit
dem Absoluten herstellten, geschlossen haben. Daraus ergibt sich auch
zwanglos die Notwendigkeit der verloren gegangenen okkulten
Seelenkräfte, die Dr. Fritz Albert in Frage stellt. tWer das „Ding an
sich", das eigentliche Wesen der Natur erforschen will, kann dies niemals
mit dem Intellekt, sondern eben nur mit diesen verloren gegangenen
spirituellen Kräften, über die heute nur noch wenige „Medien" und
„Somnambule" verfügen. Nur intuitiv durch die okkulten
psychischtn Kräfte des Unterbewußten erfassen wir das
Absolute urd damit den Wesenskern der Natur. Kant hat dem Intellekt
seine Grenzen gezeigt in seiner „Kritik der reinen Vernunft". Die
unterbewußten Seelenkräfte aber sind nicht an die Grenzen von Zeit
und Raum gebunden, s i e führen uns daher zum Wesen aller Dinge
und damit zur Wahrheit und nicht der Verstand. Diese unterbewußten
und bei der überwiegenden Mehrheit der Kulturmenschen okkulten
psychischen Fähigkeiten sind unbedingt notwendig zur Erforschung
des wahren Wesens der Erscheinungen. Die induktive, empirische
wissenschaftliche Forschung, die nur intellektuell orientiert ist, kann
niemals ins „Innere der Natur" dringen, sondern nur die intuitiven,
unterbewußten Seelenkräfte. Auch das Schaffen des Genies, des Künstlers
, beruht auf dem Unterbewußtsein. Geniale Einfälle werden nur
intuitiv und spontan gefunden. Kant nennt die unterbewußten Seelenkräfte
, das Unterbewußtsein, direkt das „sittliche Bewußtsein" oder die
„praktische Vernunft" und leitet daraus seine „kategorischen Imperative
" ab. Wer sich tiefer mit dem unterbewußten Seelenleben befaßt,
findet das bestätigt. Das Unterbewußtsein ist ein Gefühl und zeigt
sich bei Verfehlungen gegen die sittliche Weltordnung als „Gewisse
n", ein deutliches Zeichen, daß die unterbewußten Seelenkräfte
mit dem göttlichen Allwillen in engstem Zusammenhang stehen.
Ja der Philosoph Ed. Hartmann nennt das Unterbewußte direkt „Gott",
zur Erforschung der absoluten Wahrheit sind aber die okkulten, unterbewußten
Seelenkräfte notwendig, da dem Intellekt dies nicht
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