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Kleine Mitteilungen
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möglich ist. Der gesamte Mediumismus ist von der intellektuell gerichteten
Wissenschaft allein nicht erforschbar. Die Wissenschaft kann
nur lediglich die Tatsachen der physikalischen Phänomene feststellen;
die Erklärung des innersten Wesens der okkulten Seelenkräfte muß sie
der intuitiven Forschung des Theologen oder des Philosophen, der
Religionsphilosophie, die sich auf das religiöse Erlebnis stützt, das
durch religiöse Meditation und Kontemplation hervorgerufen wird,
überlassen. Die Naturwissenschaft darf sich nicht die Kompetenzen der
reinen Geisteswissenschaften aneignen. Die letzte Erklärung der Dinge
kann sie ihrem Wesen nach nicht geben. Die Wahrheit dieser Ausführungen
können ebenfalls niemals durch den normalen intellektuellen
Denkprozeß erwiesen werden, sondern nur durch das innere, intuitive
Erlebnis. „Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdefs nimmermehr erjagen
", sagt Goethe. Auch Jesus fordert als einzigen Wahrheitsbeweis
seiner Lehre, daß man seine Lehre tut. „So jemand wird den Willein
Gottes tun, der wird inne werden, ob meine Lehre von Gott sei..
Dazu gehört aber eine Selbstüberwindung, die eben der heutigen
Menschheit völlig mangelt. Daher kommt auch die Geringschätzung
der okkulten, intuitiven und unterbewußten Seelenkräfte, wie sie Dr. Fritz
Albert beliebt, so daß man den gegenwärtigen intellektuellen Seelen-
zustand des Kulturmenschen als einen Fortschritt betrachtet, während
er doch vom religionsphilosophischen Standpunkt aus einen Rückschritt
darstellt. Der frühere noch mehr in Harmonie mit dem göttlichen
Universalwillen lebende Mensch besaß infolgedessen weit umfassendere
seelische Funktionen ais der gegenwärtige disharmonische
Kulturmensch. Der harmonische Paradiesesmensch war der Herr
der Natur infolge seiner psychischen Fähigkeiten, der gegenwärtige
Mensch ist der Knecht der Natur, da er diese „okkulten" Kräfte infolge
seines Gegensatzes zu Gott verloren hat und nun aus Unwissenheit
allen Einflüssen kosmischer Kräfte unterliegt.
Kleine Mitteilungen.
Zur spiritistischen Beweisführung.
Von M. K.
Nachdem Herr Walther Roßberg in den Psychischen Studien 1924,
Nr. 6, meine früheren Veröffentlichungen und Versuche in dieser Sache
wieder ausgegraben hat, sei es mir gestattet, zu seinen Ausführungen
über die Identifizierung durch Handschrift einiges zu äußern.
Er weist mit Recht auf die Fähigkeit der Psychometrie als Erklärungsmittel
hin, kraft deren ein Mensch sich in das Wesen, die Gestalt
und Fähigkeiten einer 9 bekannten oder auch unbekannten Person
einzufühlen vermag.
Ich meine doch, daß diese Fähigkeit ihre Grenzen hat. Nach
allem, was mir davon bekannt ist, gelingen solche Experimente nur
dann, wenn die betreffende Person entweder selbst anwesend ist, oder
doch ein Anwesender mit der dargestellten Person bekannt oder verwandt
ist. Auch leblose Gegenstände, die einst im Besitze des Dargestellten
waren, genügen zur psychischen und plastischen Darstellung
des ehemaligen Besitzers durch den Psychometer.
Wird eine verstorbene Person durch Handschrift dargestellt, von
der wedei Bekannte noch Verwandte anwesend sind, die auch dem
Psychometer völlig unbekannt war, von der auch keine leblosen Gegenstände
mit dem Psychometer je in Berührung kamen, dann heißt es
doch den bisher bekannten Gesetzen der Psychometrie Gewalt antun,
wenn man die Erscheinungen allein durch sie erklären wollte. Es muß
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