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Schröder: „Pseudo-Entlarvungen".
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schieden verfrüht, die Ilenningsche „Beweisführung" aus
mehr als einem Grunde völlig unzulänglich!
Es ist noch gar nicht so lange her, daß es überhaupt eine Psychologie
als selbständige Wissenschaft gibt. Die rationale Psychologie
ist im Grunde geblieben, was sie war: eine Disziplin innerhalb
der Metaphysik. Ueber das Wesen der Seele wissen
wir heute nichts Eindeutigeres als früher. Die
empirische Psychologie hat hieran nichts zu ändern
vermocht. Auf dem Standpunkte des Materialismus kann es überhaupt
nicht wohl eine Psychologie als selbständige Wissenschaft geben.
Ich bin durchaus zureichend auf dem Gebiete der Psychologie bewandert
, um die Erfolge beurteilen zu können, welche die experimentelle
Psychologie besonders durch Inrechnungstellung der tatsächlich
bestehenden Verknüpfung der psychischen Vorgänge mit physiologischen
gewonnen hat. Es läßt si^h auch die Bedeutung der Psychologie
als einer Art gemeinsamer Grundlage und vermittelnden Bandes
für die gesamten Geisteswissenschaften diskutieren. Aber keinesfalls
für die exakten Naturwissenschaften! Natur und Geist sind unter allen
Umständen zwei getrennte Gebiete der Wirklichkeit, die, mögen sie
einen einheitlichen metaphysischen Grund haben oder nicht, jedenfalls
jede für sich zu erforschen sind. Der Psychologe als solcher
ist nicht Fachmann auf dem Gebiete der Naturwissenschaften
.
Ich hoffe, in diesen kurzen Strichen über den Inhalt der Psychologie
hinreichend deutlich herausgehoben zu haben, daß H. Henning
als Psychologe noch keineswegs irgendeine Autorität
auf physikalischem Gebiete bedeutet. Und das ist
es, was ich als Folgerung nachdrücklichst zu unterstreichen habe.
Henning geht nämlich unter I (S 278) von der Behauptung aus,
daß „. . . weitere Kreise nicht wissen, daß jemand sehr wohl als
Hygieniker, Philosoph oder Chemiker eine Autorität sein kann, und
trotzdem als Psychologe ein absoluter Dilettant, wonach
ihm die einschlägige wissenschaftliche Vorbildung zur Beurteilung
soLcher Erscheinungen durchaus abgeht". Selbstverständlich ist d i e s e s
Urteil alsdann auch einfach umkehrbar! Was aber
nun, wenn ich, ganz gewiß unwidersprochen auch von Hans Henning
, behaupten muß, daß die conditio sine qua non seiner ganzen)
Bchauptungsfolge ein rein physikalisches Geschehnis ist. Oder seit
wann sind Taschenspielertricks psychologische Vorgänge? Wie sich
diese Tricks auf den Beschauer auswirken, ist naturgemäß erst eine
nächste Frage. Der Vorgang selbst ist ein physikalischer
! Wäre seine Genese eine psychische, wäre er
ja „okkult"!
Ich muß nunmehr vorerst noch einmal zusammenstellen, was
IT. Henning nun eigentlich alles laschenspielermäßig „mitten in
seinem Arbeitszimmer ohne jeden Vorhang und jegliches Möbel im
direkten Lichte dreier Halbwattlampen von je 60 Kerzen seines Krön-
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