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680 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 11. Heft.' (November 1924.)
den Veränderung der Lebewesen nicht im entferntesten die Rede sein
kann, daß sie die Lehre von der temporalen Gleichförmigkeit der
Lebewesen illusorisch machen würde"; er faßt unter jenen Begriff
die „Tatsachen ... des biogenetischen Grundgesetzes" und jene „Erscheinung
, daß alle Lebewesen sich von ihrer individuellen Entstehung
an in der Richtung nach einem Kulminationspunkt entwickeln", wie
„auch die im Bereich der Lebewesen allgemein verbreitete Tatsache
der biologischen Zweckmäßigkeit": usw.
Diese Stichprobe genügt, um die willkürliche Subsummierung
allerverschiedenster Dinge unter den Begriff der „Gleichförmigkeit"
zn belegen. Bei dem biogenetischen Grundgesetz und dem Angepaßtsein
(diese Bezeichnung erübrigt eine teleologische Wortfassung) der
Organismen z. B. handelt es sich um Gesetzlichkeiten, bei aller Klarheit
darüber, daß sie an experimenteller Prägnanz jenen des physikalisch
-chemischen Geschehens eben infolge der Auswirkung auch andersartiger
Faktoren nachstehen.
Das, was aus der Marbe'schen „Gleichförmigkeit" für die sog.
okkulte Phänomenik äußerst in Frage kommt, bezieht sich auf seine
Betrachtungen über die Wahrscheinlichkeitsrechnung
des Verhältnisses zur Erfahrung, d. h. über die
Auswertung von Versuchsergebnissen. Ganz allgemein aber sei hierzu
schon jetzt hervorgehoben, daß überall dort, wo die Ergebnisse innerhalb
hinreichend großer Zahlenreihen augenfällig von der rein rechnerischen
Erwartung abweichen, auf eine diese Abweichung bedingende
Ursache zu schließen ist, auch wenn wir diese nicht immer bestimmen
können. Es kann gar nicht fraglich sein, daß sich sonst unter der
genannten Voraussetzung die aprioristische Wahrscheinlichkeitsrechnung
bestätigen müßte. Beispiele: Wenn sich (Marbe I, S. 212)
die Kompaßnadel nicht beliebig im Wahrscheinlichkeitswerte -L
sondern bestimmt nach Norden — als Wirkung der magnetischen
Kräfte — einstellt; wenn sich Purpurbakterien (I, S. 210) über verschiedenfarbiger
Unterlage nicht gleichmäßig, sondern unter Bevorzugung
gewisser Farben — eine physiologische Lichtreaklion — verteilen
; wenn von 3oo Schülerinnen bei der Aufgäbe, ein beliebiges
Wort zu schreiben, z. B. 18 das Wort „Schule" (I, S. 209) — aus
dem nächstliegenden Vorstellungskreise — schreiben; wenn nach
Marbe (I, S. 211) bei der Angabe einer ßer Regenbogenfarben
Violett weniger oft als dem Wahrscheinliehkeitswerte 1/1 entsprechend
— als die wenigst visuell aufnehmbare Farbe — genannt wird;
wenn von den drei Spielkarlen: Herz-Zehn, Eckstein-Sechs und Herz-
Fünf nach Marbe (I, S. 211) über die Wahrscheinlichkeit hinaus —
als Folge des aufdringlicheren Bildes und der Vertrautheit mit Karten
„über" zehn bez. acht (eigene akzidentelle Versuche bestätigten Marbe
und belegen meine Deutung!) — gewählt wurde usw. Selbstverständlich
sind solche Becinflussungsmöglichkeiten für die Auswertung von
Versuchsergebnissen sorgfältig abzuwägen. Karl Marbe aber sagt
damit dem wissenschaftlichen Okkultismus nichts,
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