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Schröder: „Pseudo-Entlarvungen"
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metik dadurch, daß sie mit Ziffern versehene, auf einem Tisch liegende
Holztäfelchen in die Höhe hob, Sie war der Hauptanziehungspunkt
des Gartens, und eine Menge von Personen von auswärts besuchten
den Garten nur ihretwegen. Hunderttausende staunten ihre Lei-
slimgen an (siehe die genau gleiche Redeweise Dessoirs; Verf.),
niemand konnte sie erklären. Der Wärter, der die Schimpansin vorführte
, glaubte an telepathische Gedankenübertragung. Der Direktor
des Gartens konnte sich kein Urteil bilden. Viele glaubten an ein
wirkliches Rechnen des Affen und sahen die Theorien der v. Osten
und Krall bestätigt. Ich selbst stand, als ich die Vorführung zum
erstenmal sah, wiewohl ich mich sogleich in den Käfig zu Basso und
dem Wärter begeben hatte, der Sache ratlos gegenüber. Als ich dann
aber längere Zeit systematische Untersuchungen ausgeführt hatte,
konnte ich unwiderleglich beweisen, daß von einem wirklichen Rechnen
Bassos gar keine Rede sein könne, und daß sie lediglich auf unbeabsichtigte
, unwillkürliche Zeichen des Wärters, die diesem selbst unbekannt
waren, reagierte."
Zu diesem Berichte Marbes habe ich (als Tierpsychologe) hervorzuheben
, daß es nur seinervölligenUnkenntnisaufdem
Gebiete der Tierpsychologie zuzuschreiben wäre, wenn er
„der Sache" zunächst „ratlos gegenüberstand". Die Hypothese der
unwillkürlichen Zeichen ist bereits im Jahre 1906 (!) von Oscar
Pf ungst für die Phänomenik des „klugen Hans" gut begründet worden
. EigentümlicherweisehatMarbe (1, S. 38, Anmerkung)
in seiner „Gleichförmigkeit" (1916) die Pfungst'sche bezügliche
Arbeit: „Das Pferd desTäerrn von Osten", zitiert; diese
Feststellung wirft unter allen Umständen ein recht
beachtliches Schlaglicht auf Marbe'sche Einstellungsmöglichkeiten
! Jedenfalls sagt also Karl Marbe wiederum
nichts Neues. Und er erweist sich zudem darüber > öllig ununter-
richtet, daß die spätere Phänomenik „denkender" Pferde und Hunde
nicht allein mit dieser Hypothese zu deuten ist. Ich verweise Marbe
hierfür z. B. auf meine betreffenden Arbeiten („Natur" igi3, IL s3,
und 191/4, H. i4; ,,Naturwiss. Wochenschrift" 1914, Nr. 21 und 22:
„Biolog. Centraiblatt" 1914, Nr. 9). Er mag ihnen entnehmen, daß
ich die Phänomenik gerade auch im Anschlüsse an die festgestellte
Beschränkung der in den rechnerischen
Ergebnissen vorkommenden Ziffern (die spätere
M a r b e'sche „Gleichförmigkeit") als einen einfachen Dressur er folg
(also ohne Mitwirkung von Intelligenzakten seitens der Tiere) dargetan
habe. Die später (!) in der Literatur besonders zum Hunde Rolf veröffentlichte
Phänomenik scheint übrigens eine noch weitergehende
Dressur zu involvieren, wie ich an anderer Stelle auf Grund noch
unpublizierter Experimente zu zeigen habe. Die bezügliche Literatur
mag aber Marbe zu umfangreich sein, um sie zu studieren, es mag
ihm unliebsam sein, die außergewöhnliche Posteriorität seiner Ent-
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